Kultur

Renée Fleming als vollendete Brückenbauerin

Zwischen Strauss und Super Bowl, zwischen großer Oper und Jazz und jetzt sogar OperetteRenée Fleming ist in allen Genres daheim, hat keine Berührungsängste und ist vielleicht genau deshalb eine der bedeutendsten Sängerinnen der Gegenwart.

Ab Mittwoch, 31.12., steht die amerikanische Sopranistin wieder auf der Bühne der New Yorker MET und schlägt ein neues Kapitel ihrer unglaublichen Karriere auf. Erstmals singt Fleming Operette, nämlich die Hanna Glawari in der Premiere von Franz Lehárs "Lustiger Witwe", in englischer Sprache und "mit all meiner Liebe, die ich zu geben habe". "Endlich", betont Fleming im KURIER-Gespräch, "darf ich so eine Rolle machen. Es macht so viel Spaß, große Operette zu singen, zu spielen, noch dazu mit diesem fantastischen Team."

Beste Kräfte

Das "fantastische Team" besteht aus Regisseurin Susan Stroman, Bühnenbildner Julian Crouch, Dirigent Andrew Davis und Sängerkollegen wie Nathan Gunn als ins Maxim gehender Danilo oder Kelli O’Hara in der Partie der Valencienne. "Wir haben da wohl wirklich einen All-Star-Cast", sagt Fleming.

Zusatz: "Anders sollte man Operette gar nicht machen. Man braucht die besten Kräfte, sonst funktioniert das Ganze nicht. Das habe ich von Dirigent Christian Thielemann gelernt, der Operette so sehr liebt, und mit dem ich Auszüge aus der ,Lustigen Witwe‘ einstudiert habe, erklärt die Künstlerin. Übrigens in perfektem Deutsch.

Keine Wunder, gilt Fleming doch als die führende Richard-Strauss-Interpretin der Gegenwart. Mit der "Arabella", der Gräfin in "Capriccio" oder Marschallin im "Rosenkavalier" hat Fleming immer wieder Maßstäbe gesetzte, wobei "ich die Marschallin am interessantesten finde, da sie eine wissende, das Leben verstehende Frau ist". Und: "Ich liebe Strauss und ich hätte gern auch einmal eine ,Salome‘ oder eine ,Elektra‘ gesungen. Aber meine Stimme hat mir andere tolle Rollen geschenkt. Ich bin mit meiner Karriere zufrieden. Und je älter ich werde, desto mehr neue Dinge entdecke ich", so die 55-Jährige.

Neue Ufer

Zu den "neuen Dingen" zählt die Zusammenarbeit mit Jazzern wie Wynton Marsalis, Brad Mehldau oder Gregory Porter. Auf ihrem Weihnachtsalbum "Christmas in New York" rockt Fleming mit diesen Musikern nicht nur den Central Park. Und: "Wir denken schon an ein ähnliches, spannendes Projekt."

Als Höhepunkt des zu Ende gehenden Jahres sieht die Ausnahmekünstlerin aber einen anderen Auftritt. Im Februar 2014 sang Fleming als erste Klassik-Sängerin die US-Hymne vor Beginn der Super Bowl. Fleming: "Das war ein Gefühl, das ich nie vergessen werde." Millionen Menschen waren live und via TV dabei.

Und: "Das Kleid, das ich damals getragen habe, ist inzwischen in einem Museum gelandet", so Fleming. Nachsatz: "Eigentlich schade, ich habe es sehr gern getragen. Doch sollte man mich nochmals einladen, bei der Super Bowl zu singen, opfere ich auch gern ein weiteres Kleid."

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Kein Opfer bedeutet es für Fleming, künstlerische Beraterin der Lyric Opera Chicago zu sein. "Das ist eine fantastische Möglichkeit, mit jungen Menschen zu arbeiten. Ich liebe es, zu unterrichten und meine Erfahrungen weiterzugeben. Denn es ist heute einerseits leichter, ein Star zu werden. Andererseits sind die Anforderungen viel höher. Heute müssen Sängerinnen und Sänger nicht nur sehr gut singen können, sondern auch gut aussehen."

Würde Fleming unter diesen Voraussetzungen noch einmal Sängerin werden wollen? Lachend: "Ich fürchte ja. Denn ich liebe es, zu singen. Ich brauche die Musik wie die Luft zum Atmen."