Renate Bertlmann, Vorreiterin der feministischen Kunst, wird 80
Sie ist eine Pionierin der feministischen Avantgarde: Die Wiener Künstlerin Renate Bertlmann setzt sich seit mehr als 50 Jahren mit Liebe, Erotik und Sexualität auseinander, immer wieder weibliche Rollenbilder hinterfragend. Dabei sah sich Bertlmann, die u.a. Trägerin des Großen Österreichischen Staatspreises ist, gerade zu Beginn ihrer Karriere oft harscher Kritik ausgesetzt. Am Dienstag (28. Februar) wird die Künstlerin 80 Jahre alt. Auf die große Werkschau zum Jubiläum muss man noch etwas warten - sie startet am 29. September im Belvedere 21.
Geboren wurde Renate Bertlmann am 28. Februar 1943 in Wien. Sie studierte zunächst an der Academy of Arts in Oxford sowie anschließend Malerei, Konservierung und Technologie an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ebendort war sie im Anschluss auch Lehrbeauftragte für künstlerische Techniken. Ihre feministische Agenda untermauerte sie bereits mit dem 1973 veröffentlichten Pamphlet „Warum malt sie keine Blumen?“, wobei sie einige Jahre später erstmals ihre künstlerische Maxime „Amo Ergo Sum“ (Ich liebe, also bin ich) verkündete.
In ihren vielgestaltigen Werken - mal Fotografie oder Zeichnung, dann wieder Film, Installation oder Grafik, aber auch Text und Performance - ist es oft eine vordergründig direkte Sexualität, die sich mit verschiedensten Zuschreibungen auseinandersetzt. Immer wieder begegnet man dabei dem Phallus als Symbol, den Bertlmann in stets neue, teils überraschende und oft ironisch-überhöhte Zusammenhänge setzt. Etwa bei „Frau“, einer bunten Zeichnung von 1974, die beinahe ikonenhaft eine dem Penis nicht unähnliche Form mit Strapsen zeigt. Nur wenige Jahre später entstanden wiederum eine „zärtliche“ und eine „gezahnte“ Vagina („Vagina Tenera, Vagina Dentata“). Ihr Werk unterteilt sie selbst in die gleichberechtigten Teile Pornografie, Ironie und Utopie.
„Ihre Arbeit dreht sich um die Themen Liebe, Erotik und Sexualität“, schrieb die Direktorin der Dia Art Foundation in New York, Jessica Morgan, einmal über Bertlmann. „Sie wirft ein Schlaglicht in die innersten Bereiche der weiblichen Psyche, macht sie öffentlich und stellt sie in einen gesellschaftlichen Zusammenhang.“ Damit demaskiere sie letztlich auch den Geschlechterkampf „als geprägt von einer männlich bestimmten, fetischversessenen Sexualität“.
Wie schwierig es war, sich mit ihren Arbeiten zu positionieren bzw. mit welcher Kritik sie umgehen musste, hielt Bertlmann vor einigen Jahren in einem Interview mit dem „Standard“ fest: „20 Jahre lang hörte ich aus verschiedensten Ecken, ich sei eine Psychopathin, gestört, transportiere Männerhass usw. Man weigerte sich, die Ironie dahinter zu verstehen. Das ist nachvollziehbar, weil es nicht leicht zu verkraften ist, wenn ich mich so über ihr bestes Stück lustig mache. Das verkraften nur die, die wirklich eine reife Sexualität haben.“
Mittlerweile ist die Künstlerin mit ihrem Werk aber längst angekommen. Nachdem sie etwa bereits 1978 mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet wurde, folgten 2007 der Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst und schließlich 2017 der Große Österreichische Staatspreis. Laudatorin Elisabeth von Samsonow beschrieb Bertlmanns Arbeiten damals als „singulär wie beispielhaft“ und in jedem Fall „fundamental gegendert“. Die Auszeichnung mit dem Staatspreis sei nicht zuletzt „die Ankunft der Avantgarde in der Gegenwart“.
Diese Gegenwart erreichte nur zwei Jahre später Venedig, wo Bertlmann als erste Einzelkünstlerin den Österreich-Pavillon bei der Kunstbiennale bespielte. Den Bau in den Giardini versah sie auch mit ihrem Motto „Amo Ergo Sum“. „Ich wollte meinen Beitrag nicht einfach mit meinem Namen signieren, denn ich komme und gehe“, hatte sie das im APA-Interview erklärt. „Renate Bertlmann wird einmal nicht mehr existieren, aber die Liebe wird immer existieren. Ich meine hier nicht die emotionale Liebe, sondern ein gesamtheitliches Erleben der Welt, wo Körper, Geist und Seele eine untrennbare Einheit sind.“
Am heutigen Montag zeigt ORF 2 um 23.15 Uhr mit „Später Triumph“ eine neue Dokumentation von Regisseurin Susanne Riegler über die Jubilarin - sie bleibt in der TVThek sieben Tage abrufbar.