Kultur

"Ready Player One": Steven Spielbergs Nachruf auf Hollywood

Das gute, alte Hollywood stirbt, sangen Waterloo und Robinson vor vier Jahrzehnten. Jetzt ist es wieder so weit: Hollywood, wie man es in den 40 Jahren seither gekannt hat, ist tot. Und den Nachruf liefert, passender- und eigenartigerweise, genau jener Mann, der Hollywood in den 1970ern (mit) neu erfunden hat.

Mit „Der weiße Hai“, Steven Spielbergs megaerfolgreichem Fischgrusel, entstand 1975 das, was wir heute als Blockbuster kennen: Mit einem damals unerhörten Marketingaufwand wurde der Film ins kulturelle Bewusstsein katapultiert und nahm nach 9 Millionen Dollar Produktionskosten das 50-Fache, 470 Millionen, ein.

 

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Zusammen mit George Lucas’ „ Star Wars“ (1977) veränderte der Hai die Filmlandschaft nachhaltig: Das neue Hollywood setzte auf Riesenbudgets und Eventfilme. Und diese Filme wurden zu den weltweit prägenden Bildern der Popkultur: Es folgten u.a. „Alien“, „Ghostbusters“, „Zurück in die Zukunft“, „Top Gun“.

Spielberg selbst drehte den Über-Blockbuster „E.T.“ sowie „Jurassic Park“, „ Indiana Jones“und „Hook“. Er ist einer der wichtigsten Bildgeber für die Blütejahre der Filmpopkultur. Es gibt noch viele andere: Neben Lucas wären das etwa John Hughes, Stanley Kubrick, James Cameron.

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Deren Filmen ist gemeinsam: Sie schufen (zumeist) neue Bilder, die sich ins öffentliche Bewusstsein einbrannten. Jeder weiß, wie E.T., der Hai, die Jedis oder Indiana Jones aussehen. Diese Kraft haben die Filmstudios nun verloren.

Seit vielen Jahren schon ist die ehemalige Traumfabrik zum Bilder-Wiederkäuer geworden: Man schickt die einstigen großen Filme – „Star Wars“! – in unzählige Wiederholungen, dreht neu, was ab den 80ern erfolgreich war, und richtet den Blick, von sich selbst gerührt, auf die eigene Geschichte („La La Land“ und „Shape Of Water“, beide Oscar-gekrönt, handeln im Kern von Hollywood-Nostalgie über sich selbst).

Die eigentlich größte Schmach aber: Die Studios leben am besten von fremden Bildern. In den Top-20-Filmen der Allzeit-Einnahmenlisten findet sich neben den Filmserien („Star Wars“, „Fast & Furious“, „Harry Potter“) und Animation gleich sieben Superheldenfilme. Hollywoods Blockbuster von heute leben von der Kreativität von früher – oder von an deren.

Etwas Besseres scheint niemandem in Hollywood einzufallen.

Austauschbar

Die Produktionen werden immer teurer, die Studios setzen immer mehr auf einzelne Filme – die einander aber zum Verwechseln ähnlich sind. Andererseits sind nicht einmal mehr die größten Stars in regulären Filmen Garanten für nennenswerte Einspielergebnisse; das Streamingfernsehen ist zur echten Konkurrenz erwachsen.

Spielberg selbst hat schon früh vor Schwierigkeiten gewarnt: Die Superhelden-Filme seien kein nachhaltiges Business, und wenn die Studios einander nur noch mit solchen Filmen im Weg stehen, drohe gar eine „Implosion“, sagte er schon 2013.

Auch Spielberg selbst litt: Seine „ernsthaften“ Filme – „ Lincoln“, „The Post“ – landeten bei den Einnahmen unter ferner liefen. Seine Blockbuster-Versuche – „BFG“, der letzte „Indiana Jones“ – machten kaum Eindruck in der Hollywood-Monokultur.

Fertig, Spieler eins?

Nun aber, und das ist ein Luftanhalte-Moment für die Branche, hat Spielberg noch einmal tief eingeatmet – und um 150 Millionen Dollar einen Film gedreht, der das Zeug entweder zum Monumentalflop oder zum ultimativen Blockbuster hat.

„Ready Player One“ (Kinostart: 6. April) ist der Film, der am Ende des gesamten 80er-Nostalgie-und-Superhelden-Wahnsinns der Branche steht, diesen in wilden Actionszenen, virtuellen Träumen und einer übermonumentalen Endschlacht überholt, zuspitzt – und damit eigentlich beendet. Nach diesem Film ist Popkultur-Nostalgie sinnlos geworden.

Denn „Ready Player One“, basierend auf einem höchst unterhaltsamen, wenn auch nicht wirklich guten Buch von Ernest Cline, ist der goldene Nostalgieschuss.

 

Der Film ist ein bisserl simpel, aber abenteuerlich unterhaltsam. Es geht um eine nahe Zukunft, in der alle Menschen ihr Leben in einer virtuellen 3-D-Welt verbringen. Die Realität draußen ist schlecht, korrupt, kaputt. In der „Oasis“ aber lässt sich spielen, lieben, leben. Bis deren Erschaffer stirbt – und eine Ostereiersuche hinterlässt. Wer drei Hinweise in der unendlichen 3-D-Welt entschlüsseln kann, erhält Kontrolle über die „Oasis“.

Der Witz daran: Diese Hinweise sind nur dann entzifferbar, wenn man die 80er-Jahre-Popkultur in- und auswendig kann. Ausgerechnet Steven Spielberg wirft also, mit einer kaum zu bewältigenden Zahl an Anspielungen und Zitaten, den Blick über die Bande der Zukunft zurück auf jene Zeit, als er mitgeholfen hat, die Popkultur groß zu machen.

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Man fährt auf einer Hochschaubahn aus Nostalgie, Action und Rätselraten. Es kommen das Auto aus „Zurück in die Zukunft“ oder auch Michael Jacksons „Thriller“ vor.

Und vor allem: Computerspiele. „Ready Player One“ ist der vielleicht erste Hollywood-Film, der Games als das wahrnimmt, was sie geworden sind: die entscheidenden kulturellen Bilderzeuger unserer Zeit.

Also ja, genau das, was Hollywood früher war.

Damit ist auch das eigentlich Traurige dieses superunterhaltsamen Filmes umrissen: Selbst Spielberg findet keine eigenen Bilder mehr; er dockt an die Jugendverklärung der mittlerweile erwachsenen frühen Gamer an. Das hat Nachruf-Charakter. Und heißt: Auch das einst neue Hollywood geht unter. Und „Ready Player One“ steht am Ende dieser Ära.

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