Kultur

Patricia Petibon: "Ich umarme immer das Licht"

Mehr als acht Jahre ist es her, seit Patricia Petibon das letzte Mal an der Staatsoper zu erleben war. Am Mittwoch aber gibt die französische Ausnahmesängerin ihr Comeback. Als Jules Massenets "Manon" will sie auch dafür sorgen, dass "Oper nicht zum Museum verkommt".

"Die Oper des 21. Jahrhunderts sollte sich durch Improvisation, durch Spiel und auch durch emotionale Schonungslosigkeit auszeichnen. Sicher: Der Gesang ist das Allerwichtigste. Aber ich denke, den Menschen ist auch eine künstlerische Wahrhaftigkeit zumutbar. Nur herumstehen und schön singen ist mit zu wenig", so Petibon im KURIER-Gespräch.

Faible für das Extreme

Wie aber lassen sich diese Vorstellungen im Repertoire-Betrieb, wie ihn die Staatsoper pflegt, verwirklichen? Petibon: "Hier in Wien bin ich mehr auf mich selbst gestellt. Da muss ich die Rolle für mich finden und meinen Partnern auf der Bühne und den Menschen im Publikum selbst etwas anbieten." Wie das im Fall der Manon aussieht? "Das ist eine Frau, die sich nach Luxus sehnt und sich dafür – Liebe hin oder her – durchaus auch verkauft. Massenet hat das zwar musikalisch behübscht und stellt sie viel reiner dar, als sie etwa Abbé Prévost in seiner literarischen Vorlage schildert. Ich halte mich da mehr an den Roman, da ist Manon viel dreckiger und extremer. Ich habe ja ein Faible für extreme Charaktere auf der Bühne."

Hat die international gefeierte Singschauspielerin nach all den Jahren eigentlich noch Lampenfieber? Petibon lacht: "Der Moment vor dem Auftritt ist ganz speziell. Da muss man ganz bei sich sein und zugleich ganz weit weg. Wenn ich dann auf die Bühne gehe, umarme ich immer das Licht. Auf der Bühne dann bin ich im Idealfall auch im Publikum präsent und verschaffe einem altbekannten Operncharakter neues Charisma. Zumindest versuche ich das."

Singen mit den Augen

Dass dies Petibon auch in Konzerten gelingt, ist hinlänglich bekannt. Selbst bei einem Liederabend der quirligen Künstlerin geht es immer auch um das Schauspiel. "Es ist doch wichtig, dass die Menschen mit den Ohren und mit den Augen hören. Die bedeutendsten Sängerinnen der Vergangenheit haben das auch geschafft. Etwa Maria Callas. Sie konnte ein ganze Arie mit ihren Augen singen. In ihrem Gesicht hat sich alles abgespielt, worüber sie gerade gesungen hat. Liebe, Schmerz, Schalk und Leid. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich Maria Callas so verehre."

Dieses "auch mit den Augen hören" vermittelt Petibon auf ihrem neuen Album. Das heißt "La Belle Excentrique" (Deutsche Grammophon) und ist – so Petibon – "echt exzentrisch und soll vor allem Spaß machen". Petibon singt darauf (übrigens hinreißend)Lieder von Francis Poulenc, Léo Ferré, Reynaldo Hahn oder Erik Satie.

Liebe zum Dadaismus

Petibon: "Diese Aufnahme ist eine Liebeserklärung an den Dadaismus. Schon als ich als Kind Klavier gespielt habe, habe ich die Welt von Erik Satie geliebt. Ich habe den Dadaismus wesentlich besser verstanden als die Welt von Mozart oder Schumann. Dieses Kindliche habe ich versucht, mir zu bewahren. Daher auch diese Einspielung. Wenn die Leute beim Hören einen inneren Film vielleicht der Marke Jacques Tati sehen, dann habe ich mit dieser CD schon viel erreicht."

Doch was will Petibon künstlerisch noch alles erreichen? Lachend: " Jetzt kommen wieder so ein paar richtig schöne Partien. In Aix singe ich zum Beispiel Händels Zauberin ,Alcina’ – die ist so herrlich pervers. Dann singe ich noch in einer Oper von Philippe Boesmans, in Berlioz’ ,Benvenuto Cellini’ und gehe mit ,La Belle Excentrique’ auf Tour. Mir wird also nicht langweilig."

Einen Wunsch aber hätte Petibon schon: "Es wäre mein absoluter Traum, eines Tages mit Michael Haneke arbeiten zu dürfen. Ich bewundere ihn sehr. Für ihn würde ich jede Partie lernen. So wie Haneke Oper inszeniert, sieht meine Idealvorstellung von Musiktheater aus."