Die "Poppea" in der Staatsoper: Ein getanztes „House of Cards“
Von Peter Jarolin
Alles richtig gemacht. Auf diesen Nenner lässt sich die Premiere von Claudio Monteverdis Meisterwerk „L' incoronazione di Poppea“ an der Wiener Staatsoper bringen. Denn Neo-Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hat einfach ein gutes Gespür für aufregendes, zeitgenössisches Musiktheater.
Das war bereits im Jahr 2018 so, als das Haus am Ring eine Koproduktion mit den Salzburger Festspielen einging. Thema: Eben Monteverdis „L' incoronazione di Poppea“ in der atemberaubenden, eindringlichen Tanztheater-Regie des belgischen Choreografen Jan Lauwers. Dieser nämlich hatte an der Salzach mit der „Poppea“ sein Debüt als Opernregisseur gegeben und dabei ein überaus kraftvolles Gesamtkunstwerk geschaffen, das nun auch in der Staatsoper – Lauwers spricht von einer „Wiener Version“ – zu erleben ist.
Drehmoment
Was also sieht und hört man (Publikum ist ja endlich wieder zugelassen) bei dieser „Poppea“? Man sieht betörende Körperwelten, die Lauwers (auch Bühne) mit den Tänzerinnen und Tänzern seiner Needcompany perfekt realisiert. Denn Lauwers übersetzt die Geschichte rund um Kaiser Nero, der alles daran setzt, seine Geliebte Poppea heiraten zu können und dafür über Leichen geht, in ein abstraktes Tanztheater. Das Drehmoment – beeindruckend die Solo-Tänzer Sarah Lutz und Camilo Mejia Cortés – ist omnipräsent. Lauwers arrangiert Tänzer, Solisten und Körper zu grandiosen Tableaus Vivants, die das Gesungene stets visualisieren, die in der sensationellen Verschmelzung aller Kunstformen ihr Eigenleben entwickeln. Fast ein getanztes „House of Cards“.
In dieses Konzept fügen sich die Interpreten fabelhaft ein. Etwa Kate Lindsey, die bereits in Salzburg ein vokal wie darstellerisch überragender Nerone war und in Wien noch mehr an Intensität und Virtuosität zeigen kann.
Eine absolute Entdeckung ist die (im Haus-Ensemble engagierte) Sopranistin Slávka Zámečniková als ihre Intrigen und Machtgelüste gnadenlos vorantreibende Poppea. Diese, optisch noch dazu bildhübsche Sängerin – die Prophezeiung sei gewagt – wird eine Weltkarriere machen.
Stimmmoment
Auf eine solche kann Sir Willard White bereits zurückblicken; als Philosoph Seneca singt der kultivierte Bassbariton nobel in seiner eigenen Liga. Der Countertenor Xavier Sabata gibt einen tadellosen Ottone; eine pure Freude sind auch Christina Bock als Ottavia sowie (wieder ein Mal) Vera-Lotte Boecker als Virtù/Drussila. Isabel Signoret, Daniel Jenz und der komödiantische Thomas Ebenstein führen das tolle Ensemble an.
Am Pult des guten Concentus Musicus Wien (das ist von den Raumdimensionen des Hauses her nicht ganz unproblematisch) sorgt Dirigent Pablo Heras-Casado für einen straffen und energischen, dabei jedoch nuancierten Originalklang-Sound. Jubel!