Breakdance: Mit klarem Kopf zum Weltfinale nach Paris
Von Marco Weise
Sina Müller alias Sinaya aus Kärnten und Hynamite aus Wien sind Österreichs Vertreter beim 20. Red Bull BC Weltfinale, das heuer in Paris ausgetragen wird, ein Jahr, bevor dort die Olympischen Spiele mit der Breaking-Premiere gastieren. Am Donnerstag geht es um die letzten Finaltickets. Darum bemühen sich auch die beiden österreichischen Teilnehmer. Ob es fürs Finale am Samstag im legendären Stadion Roland Garros mit den jeweils besten 16 B-Girls und 16 B-Boys der Welt reicht, wird sich zeigen. Die Vorbereitungen dafür auf alle Fälle seit Wochen auf Hochtouren.
Der KURIER hat die beiden Künstler vor dem Abflug nach Paris zum Interview geladen.
KURIER: Jetzt wird es bald ernst. Worauf liegt derzeit Fokus beim Training?
Hynamite: In den letzten Wochen habe ich in den Vorbereitungen auf Paris meinen Fokus stark auf meinen Ausdruck und den Feinschliff meiner Details gelegt, da diese Aspekte meine Qualitäten als Tänzer ausmachen. Ich setze alles daran, das Beste aus dieser Erfahrung zu machen.
Sinaya: Momentan lege ich am meisten Wert auf meine mentale Gesundheit. In den vergangenen Monaten wurde mir immer bewusster, wie wichtig es ist, einen klaren Kopf zu bewahren und sich nicht von äußeren Einflüssen ablenken oder aus der Ruhe bringen zu lassen, um auf einer großen Bühne gut performen zu können.
Wie kann man an der mentalen Fitness arbeiten?
Sinaya: Ich war nun schon öfter in Situationen, wo mir mein Kopf beziehungsweise meine Gedanken einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Aus diesem Grund habe ich mich in letzter Zeit viel mit mir selbst, meinen Gedanken und Ängsten auseinandergesetzt und mit Reflexion und Atemtechniken gearbeitet.
Hynamite: Ich trainiere meine mentale Fitness hauptsächlich durch Achtsamkeitsübungen. Meine bevorzugten Methoden beinhalten Praktiken wie das Führen eines Tagebuchs, in dem ich meinen Gedanken nicht nur freien Lauf lasse, sondern ihnen auch eine gewisse Struktur gebe, auf die ich jederzeit zurückblicken kann. Oft nehme ich mir auch Zeit zum Meditieren. Dabei konzentriere ich mich nicht ausschließlich auf Atemtechniken, sondern lasse meinen Gedanken ebenfalls freien Lauf. Ich achte darauf, welche Gefühle hochkommen, warum sie auftreten und wie ich sie am besten verarbeiten kann. Ich versetze mich gerne in die Situation eines Wettkampfs und stelle mir verschiedene Szenarien vor.
Wie würdet Ihr die Breaking-Szene in Österreich beurteilen. Wo liegen die Stärken, die Schwächen?
Hynamite: In den letzten Jahren hat sich in der österreichischen Breaking-Gemeinschaft wirklich viel bewegt. Es gibt seit der Pandemie ganz viele neue Gesichter. Früher schien es so, als sei Österreich bei internationalen Events oder Wettkämpfen im Ausland oft unterrepräsentiert. Das ist eine Sache, die sich mittlerweile schnell ändert, da man immer mehr Events sehen kann, an denen unsere heimischen Crews und Tänzer teilnehmen.
Sinaya: Es fällt mir nicht leicht, über die österreichische Breaking Szene zu urteilen, aber ich denke, dass es tatsächlich eine unserer Schwächen sein kann, dass wir als Österreicher generell in einem privilegierten Land leben und dass wir um vieles nicht so hart kämpfen müssen, wie Tänzerinnen und Tänzer anderer Nationen. Wir haben den Zugang zu Informationen, die infrastrukturellen und finanziellen Mittel zu reisen und in Räumlichkeiten zu trainieren. Vielleicht nehmen wir beziehungsweise nimmt die jüngere Generation das auch manchmal als zu selbstverständlich hin. Österreichs Stärke sehe ich in unserer Individualität – ich denke nicht, dass man sagen kann, es gibt „den“ österreichischen Breaking-Stil, denn dafür tanzen wir alle zu unterschiedlich und legen darauf auch großen Wert.
Wie viel Plan, wie viel Improvisation macht euer Stil aus?
Sinaya: Ich würde lügen zu behaupten, dass ich während meiner Tanzrunden nur improvisiere, vor allem weil mein Körper gewohnt ist, gewisse Bewegungsmuster abzurufen. Allerdings versuche ich, mir einen gewissen Spielraum für Spontanität zu lassen. Soll heißen: Ich lege meist im Vorhinein fest, welche Highlights ich in welcher Runde gerne einsetzen möchte, der Rest soll und darf dann passieren. Immerhin muss ich auch spontan auf die Musik des DJs reagieren können, denn wir sprechen beim Breaking immerhin von einem Tanz, bei dem Gefühle und Emotionen, die im Moment hochkommen, ausgedrückt werden können.
Hynamite: Mein Stil setzt sich aus abrufbaren Bewegungen und Abläufen zusammen, ergänzt durch eine gehörige Portion Freestyle. In letzter Zeit habe ich mich jedoch verstärkt dem Unbekannten und der Improvisation verschrieben. Für mich ist es am spannendsten, meiner Kreativität freien Lauf zu lassen, mich der Musik und meinen Emotionen hinzugeben und entsprechend zu agieren.
Wie sieht die Trainingssituation in Wien bzw. in Kärnten aus. Gibt es da genug Unterstützung, Räume, was wäre dringend notwendig?
Sinaya: Was die Raumsituation in Kärnten betrifft, muss ich sagen, dass wir an den Orten Spittal und Weissensee, wo wir unsere Haupttrainings abhalten, im Rahmen der Möglichkeiten voll unterstützt werden. Allerdings ist es immer noch ein Traum unserer Crew einen leistbaren Trainingsraum zu haben, den wir 24h nutzen und nach unseren Bedürfnissen gestalten können. Dazu fehlen uns allerdings die finanziellen Mittel.
Hynamite: Die Trainingssituation in Wien hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren erheblich verändert. Ich kann nicht für alle sprechen, aber aus meiner persönlichen Perspektive habe ich eine positive Entwicklung beobachtet. Ich fühle mich in der Wiener Breaking-Community heute insgesamt wohler, vor allem wegen der Menschen und Trainingsmöglichkeiten, die in den letzten Jahren hinzugekommen sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich in der Wiener Community viel getan hat –nicht nur in Bezug auf das tänzerische Niveau und den Style, sondern auch in Bezug auf die Awareness und das Bewusstsein füreinander. In meinen Beobachtungen habe ich festgestellt, dass in Wien heute eine größere Offenheit herrscht, die in der Vergangenheit möglicherweise gefehlt hat. Es gibt verschiedene offene Trainingsmöglichkeiten, die ich gerne besuche. Ehrlich gesagt ziehe ich es jedoch oft vor, zu Hause oder mit nur wenigen Freunden zu trainieren. Das macht mir normalerweise am meisten Spaß, und ich kann mich in diesen Sessions am besten konzentrieren. Ich bevorzuge eher kleinere Gruppen, da ich so besser auf die persönliche Verbindung eingehen kann, die ich zu den einzelnen TänzerInnen habe. Dies ist für mich besonders wichtig.
Mit welchen Erwartungen fliegt Ihr nach Paris?
Sinaya: Das einzige, das ich mir wirklich erwarte, ist, dass ich dort den Moment genießen kann. Natürlich habe ich mich in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv darauf vorbereitet, dort mein Bestes zu geben und das werde ich auch tun. Aber der Weg dahin – von meinen ersten „Gehversuchen“ im Breaking bis nach Paris – war nun schon so lange und intensiv, dass ich es mir selbst zum Geschenk machen möchte, dieses Ereignis bewusst wahrzunehmen.
Hynamite: Es ist schwer zu sagen, welche genauen Erwartungen ich habe. Von Anfang an war ich davon überzeugt, dass ich das Beste aus dieser Gelegenheit herausholen werde. Für mich ist es wichtig, mich so tief wie möglich in diese Erfahrung einzutauchen. Die gesamte Woche und der Weg zum Red Bull BC One World Finale sind für mich bereits ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ich habe bereits einiges gewonnen, und ich weiß, dass diese Erfahrung in meinem aktuellen Lebensabschnitt von großer Bedeutung ist und viel für meine Zukunft ausmacht. Natürlich hoffe ich auf eine starke Platzierung in Paris. Allerdings ist mir bewusst, dass dies kein Muss, sondern ein Ziel ist, auf das ich das ganze Jahr hingearbeitet habe. Ich bin bereit, und bin ich mir sicher, dass dieser Weg, trotz der Höhen und Tiefen, die man durchläuft, der richtige ist.
Sinaya, ich habe gehört, dass Sie eine Spätberufene sind, erst spät zum Tanzen angefangen haben?
Ich habe tatsächlich erst Anfang 20 mit dem Breaken begonnen. Nicht aber, weil ich so lange gewartet habe, sondern weil das Angebot bzw. der Zugang zu diesem Tanzstil in meiner Region (Drautal) quasi nicht gegeben war. Wie ich erst später erfahren habe, gab es zwar damals schon vereinzelt Breaker in der Landeshauptstadt, aber ich bin in meiner Kindheit bzw. Jugend nie in Kontakt mit ihnen gekommen. Ich musste erst im Rahmen meines Studiums ein Auslandssemester in Spanien absolvieren und meinen jetzigen Verlobten, in der Szene bekannt als El Vasi, kennen lernen, um mit der Breaking Szene in Berührung zu kommen. Als er mich damals noch in Spanien zu einem Battle mitnahm und ich dort die Musik hörte, die Tänzer*innen sah und diese Energie spürte, wusste ich irgendwie, dass ich hier zu Hause bin.
Wordrap mit Sinaya und Hynamite
Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Sinaya: Flowig
Hynamite: Dynamisch, musikalisch und stark fokussiert auf Flow und Ästhetik.
Stärken?
Sinaya: Footworks
Hynamite: Sehr ausdrucksvoll, große und stilvolle Bewegungen, eine fesselnde Erzählweise beim Tanzen.
Schwächen?
Sinaya: Powermoves
Hynamite: Manchmal fehlen mir die stärksten Freezes (ein Bestandteil des Breakings).
Zu welcher Musik tanzen Sie am liebsten?
Sinaya: Funk
Hynamite: Schwer zu sagen. Ich liebe es, mich in verschiedene Arten von Musik zu vertiefen. Es muss nicht immer etwas mit Breaking zu tun haben, da ich gerne auch in anderen Tanzstilen improvisiere. Insgesamt bevorzuge ich besonders beim Trainieren langsamere Musik mit einem klaren Rhythmus.
Vorbild?
Sinaya: B-Girl Nadja
Hynamite: Meine beiden Eltern, da sie sehr begabte und hart arbeitende Künstler sind. Sie haben es geschafft, ihren Weg zu gehen und ihren Leidenschaften nachzugehen. Ich fühle mich sehr inspiriert, wenn ich mit ihnen spreche und höre, wie sie ihren Weg gegangen sind und zu dem Punkt gekommen sind, an dem sie jetzt stehen.
Lieblingsbeschäftigung abseits von Breaking?
Sinaya: Schwimmen
Hynamite: Ich liebe es zu reisen, neue Orte und Menschen kennenzulernen und zu sehen, wie facettenreich das Leben ist. Reisen in Verbindung mit Tanz und der Kunstform, der ich nachgehe, hat mir in meinem Leben enorm viel gezeigt. Gleichzeitig habe ich auch neue Seiten von mir kennengelernt. Ich denke, dass die vielen Reisen, die ich in meinem jungen Alter schon hinter mir habe, mich zu einem sehr offenen und freiheitsliebenden Menschen gemacht haben. Ich lebe für die vielen Erfahrungen, die mein Leben zu bieten hat, sowohl die schönen als auch die schwierigen.
Gegen welchen B-Boy/welches B-Girls würden Sie aktuell nicht antreten wollen, und warum?
Sinaya: B-Girl Nicka – sie ist eine Allrounderin mit Erfahrung und Herz und hat somit alles, das man braucht, um zu gewinnen
Hynamite: Es fällt mir schwer, auf diese Frage eine klare Antwort zu geben. Es gibt viele. Es fällt mir schwer, auf diese Frage eine klare Antwort zu geben. Es gibt viele Tänzer, gegen die ich sehr gerne antreten möchte. Ich bin eher die Art von Person, die gerne Tänzer, gegen die ich sehr gerne antreten möchte. Ich bin eher die Art von Person, die gerne Herausforderungen annimmt, und eigentlich drücke ich mich ungerne vor einem Battle. Ich Herausforderungen annimmt, und eigentlich drücke ich mich ungerne vor einem Battle. Ich begrüße jeden Tänzer oder Tänzerin als Herausforderung und freue mich auf jeden Tänzer oder Tänzerin als Herausforderung und freue mich auf den Austausch.
INFOS
Weltfinale in Paris: Das von Red Bull veranstaltete Finale findet am Samstag (21.10.) in Paris statt und wird weltweit live im Internet (redbullbcone.com) übertragen.
B-Boys, B-Girls und Breaker sind die ursprünglichen Namen für Personen, die den Tanzstil Breaking (auch als Breakdance bekannt) praktizieren. Das ist jener Tanzstil, der als Teil der Hip-Hop-Bewegung unter afroamerikanischen Jugendlichen im New York der frühen 1970er-Jahre entstanden ist.
Für Österreich in Paris am Start sind die Kärntnerin Sina Müller alias Sinaya. Und der Wiener Alexander Muus alias Hynamite.