ORF2-Channel-Manager Hofer: "Das Schema durchbrechen"
Von Christoph Silber
Seit Mai des Vorjahres ist Alexander Hofer Channel-Manager von ORF2. Die Quoten-Entwicklung ging zuletzt leicht nach oben. Da hilft auch die aktuelle politische Situation mit. Einige Neuerungen werden trotzdem kommen, verrät der 47-Jährige beim Gespräch beim Heurgen in Zahel in Wien-Mauer, wo Hofer geboren wurde und lebt.
KURIER: Wie schaut Ihre Bilanz des ersten Jahres aus?
Alexander Hofer: Ich freue mich über eine gute Quotenentwicklung, vor allem auch bei jenen Formaten, die wir mit Anfang des Jahres auf die Reise geschickt haben. Das sind „Studio 2“ und die „ZiB 2 am Sonntag“, aber auch die Umprogrammierung am Wochenende nach dem Wegfall der beiden Lotterie-Sendungen. Die funktioniert mit der Neuplatzierung von „Bewusst Gesund“ und davor „Aktuell in Österreich“, einem weiteren regionalen Info-Angebot. Und natürlich ist da auch noch die Performance der ORF-Information am 17. bzw. 18. Mai, als die türkis-blaue Regierung beendet wurde. Hier hat der ORF unter Beweis gestellt, was er alles kann. Es gab den Mut, lange Sendestrecken auch mit neuen Kollegen zu bestreiten und damit dem Publikum zu signalisieren: „Wir sind für euch da, auch wenn die Lage unklar.“ Diese Professionalität haben unsere Seher aber auch kritische Medienjournalisten sehr positiv aufgenommen. Und nicht zuletzt sind diese Woche die meistgesehenen „Sommergespräche“ der Sendungshistorie zu Ende gegangen.
Sind Sie tatsächlich mit „Studio 2“ so weit schon zufrieden, wie es sich jetzt präsentiert?
Hofer: Ich bin mit „Studio 2“ insofern sehr zufrieden, weil es mehrere Dinge geschafft hat: eine Marktanteilsteigerung bei 12 Jahre und älter, eine größere Vielfalt beim Publikum und das Heranführen jüngerer Seher. In der Zielgruppe der 12- bis 29-Jährigen konnte der Marktanteil um drei Prozent und bei der 12- bis 49-Jährigen um 2 Prozent gesteigert werden. Es ist als tägliches Magazin mit wechselnden Schwerpunkten und Themen und wechselnden Moderatoren natürlich einer permanenten Beobachtung ausgesetzt, Nachjustierungen passieren da ständig und wie nebenbei. Das machen die Kolleginnen und Kollegen mit großer Hingabe und Leidenschaft.
Wenn man sich die Quoten genauer anschaut, gibt es doch ein paar Baustellen im Programm. Wo braucht es noch Adjustierungen?
Hofer: In der Zeit zwischen 17 bis 23 Uhr sind wir an den meisten Tagen mittlerweile wirklich sehr gut unterwegs. Der stärkste Tag ist der Donnerstag - das hat mit dem wirklich großartigen Angebot der „Rosenheim Cops“ zu tun und den folgenden „Schauplatz“ und der „ZiB2“, die derzeit ganz hervorragend funktioniert. Auch der weitere Abend mit „Eco“ und „Stöckl“ passt. Da haben wir bis zu 30 Prozent Marktanteil, das darf man aber nicht als Durchschnittstag heranziehen. Überlegungen gibt es fürs Programm am Wochenende und wie wir ins Wochenende überleiten.
Was meinen Sie damit?
Ein Beispiel, wie es gehen kann, war der speziell programmierte Hauptabend zur Mondlandung am 16. Juli. Das heißt also, immer wieder bewusst das verlässliche Programmschema zu durchbrechen und Schwerpunkte zu programmieren, wie das dieser Tage auch anlässlich „80 Jahre Beginn des 2. Weltkriegs“ stattfand. Wir haben uns deshalb vorgenommen, am 12. November nicht nur den Hauptabend, sondern einen ganzen Tag unter das Thema Klima/Klimaschutz zu stellen - von 6.30 Uhr bis in den Spätabend. Wir werden viele Live-Flächen aufmachen, uns mit vielen Experten und Gästen umgeben und – worauf ich mich sehr freue – diesen gesamten Tag in ORF2 für das Publikum öffnen.
Schwierig scheint für ORF2 der Freitag zu sein? Da tut sich "Vera" schwer.
Das ist insofern ein spezieller Tag, weil damit eine gewisse Befindlichkeit verbunden ist: Es ist die Arbeitswoche zu Ende und dem muss man auch programmlich gerecht werden. Auf der anderen Seite haben wir immer noch das verlässliche Krimi-Angebot wie etwa „Der Alte“, also Co-Produktionen mit dem ZDF, die, weil so eingeführt, 60-Minüter sind. Da es aber unser Anspruch ist, wirklich verlässlich jeden Tag die ZIB2 um 22.00 Uhr beginnen zu lassen, entsteht da eine Sendelücke in einer unorthodoxen Länge von etwa 35 Minuten. Mit „Vera“ haben wir dort ein Format, das schon in Richtung Wochenende führen soll. Wir haben nun ein bisschen das Sendungskonzept nachjustiert und es geht wieder stärker in Richtung Prominenz. Aber es bleibt ein schwieriger Sendeplatz. Auch, weil der Freitag für ORF 1 der Tag der Show-Events ist wie demnächst mit dem Feuerwehrformat.
Welche Überlegungen gibt es für den Samstag in ORF2. Die eigentlich passenden Show-Co-Produktionen sind in ORF1 zu sehen. Sie sind ja auch Unterhaltungschef, wie gehen Sie dieses Problem an?
Der Samstag-Hauptabend ist eine nicht einfache Zeitzone. Die deutschsprachige Konkurrenz ist da enorm und wir haben schlicht und ergreifend nicht die finanziellen Möglichkeiten, solch große Shows und in dieser Dichte zu produzieren. Wir haben als Antwort hochwertige Fiktion, also Film, und gute Erfahrungen damit gemacht. Wir wollen nun in den nächsten Monaten noch konsequenter durchprogrammieren, speziell auch im zweiten Hauptabend. Dort haben wir gerne einmal Wiederholungen von „Bulle von Tölz“ gespielt, die wir sukzessive aus dem Programm nehmen, weil auch das Publikumsinteresse merkbar nachgelassen hat. Ich möchte dort Eigenproduktionen aus dem Unterhaltungsressort versuchen. Wir werden dafür verstärkt auf das Archiv zurückgreifen, „Unterhaltungsdokus“ produzieren und damit den Seher-Flow gut weiterziehen. Der Samstag ist ja ein Unterhaltungstag, da kann man einmal durchschnaufen, bevor tagsdarauf mit der „ZIB2 am Sonntag“ wieder der Startschuss für die neue Woche fällt.
Gibt es auch Überlegungen, neue Showformate zu probieren, die vielleicht finanziell weniger fordernd sind?
Show und Event, das ist vor allem ORF1. Da sind wir, auch was unsere Co-Produktionen wie „Verstehen Sie Spaß?“etc. betrifft, gut aufgestellt. In ORF2 liegt hier der Schwerpunkt auf Musikshows wie die „Starnacht“, oder das „Musi Open Air“. Was ich im Frühjahr, nach dem langen Winter, im Samstag-Hauptabend machen möchte, ist speziell etwas zum Thema Garten. Das ist etwas, was wir in Showform noch nicht ausprobiert haben. Mit vielen Tipps, viel Musik und viel guter Laune endlich wieder ins Freie gehen zu können, das wollen wir feiern. Das ist ein neue Eigenentwicklung, die wir im Frühjahr 2020 anbieten werden.
Wie sieht es aus mit der Zukunft der Volksmusik und der volkstümlichen Musik in ORF2? In Deutschland wurden ja Shows eingestellt.
Wenn wir diese Shows einstellen würden, dann hätten wir in ORF2 gar keine mehr. Wir haben mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) die Kooperation zu Florian Silbereisen, die bei einer wirklich überschaubaren finanziellen Beteiligung von uns gut funktioniert. Sollte er im nächsten Jahr tatsächlich mit seiner Shows auch in Österreich gastieren, dann wollen wir da selbstverständlich dabei sein. Wir wollen uns auch etwas Hansi Hinterseer 25 Jahre Bühnenjubiläum einfallen lassen – diese Marken bleiben bei uns erhalten. Die funktionieren beim Publikum gut. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Musikbranche, die als Partner hier auch die Auftrittsmöglichkeiten sucht. Außerdem wird es in diesem Herbst zwei größere Produktionen geben: Am Samstag, 7. September, werden wir in eine kleine Biografie eingebettet das 20-jährige Bühnenjubiläum von DJ Ötzi feiern. Am 23. November werden wir erstmals ein Konzert von Andreas Gabalier, das jüngst in Schladming aufgezeichnet wurde, zeigen.
Da wurde ein wenig gewitzelt darüber, dass der ORF gegenüber ServusTV, das ein Konzert in München aufgezeichnet hat, nachzieht.
Es setzen sich natürlich auch andere mit dem Phänomen Andreas Gabalier auseinander. Der ORF war aber in der Vergangenheit letztlich einer seiner Miterfinder - und jetzt feiert Gabalier erfolgreiche 10 Jahre auf der Bühne und das wollen wir zeigen. Das Publikum kann sich auf diesen Abend freuen.
Eine Entscheidung auf die viele warten ist die Nachfolge-Regelung zur verstorbenen Elizabeth T. Spira. Wann kann man damit rechnen?
Wir wollen das Format fortsetzen, mit Konkreterem ist im Laufe des Herbstes zu rechnen.
Es wäre schade um „Liebesgschichten und Heiratssachen“.
Bei der Suche nach einer Nachfolge, muss man deshalb sehr umsichtig und vorsichtig sein. Das ist eine Jahrhundertmarke, ein sensationelles Konzept, das in die Sommerzeit hineinpasst und auch heuer wieder vom Publikum gut angenommen worden ist.
Wie sieht es aus mit österreichischer Serie in ORF2? Nicht alles, was in ORF1 läuft, entspricht der Zielgruppe. Und wenn man dort wieder stärker auf Unterhaltung setzt, dann tut sich doch auch das Tor für ORF2 auf. Wie sehen Sie das?
Wir haben natürlich den „Tatort“ und andere heimische Produktionen, aber natürlich nicht in der Schlagzahl wie ORF1. Es fehlt uns da schon etwas. Ich habe deshalb erste Gespräche mit der Film- und Fernsehredaktion geführt, ob es uns gelingt, eine neue ORF2-Serie zu entwickeln. Im nächsten Schritt muss man da recht rasch mit der Filmwirtschaft reden. Mit einem umsichtigen Blick auf die finanziellen Möglichkeiten müssen also zusammen überlegen, ob wir es schaffen, so eine Serie wieder hinzubekommen. Das hat ja Tradition, wenn ich an den „Winzerkönig“ denke oder an „Schlosshotel Orth“. Ohne Co-Partnerschaft wird das nicht gehen, deshalb werden wir Themen besprechen, die auch unsere deutschen Partner wohl interessieren werden.
Großes ausländisches Interesse gibt es an einer Eventproduktion österreichischer Herkunft, die noch nicht gelaufen ist: „Vienna Blood“. Welcher ORF-Sender hat da die Hand drauf?
„Vienna Blood“ ist ganz klar eine ORF 2 Produktion, übrigens auch budgetär. Mich freut es unheimlich, dass es an dieser Produktion, die in Wien am Ende der Monarchie spielt, von der BBC begonnen so viel internationales Interesse gibt. Ich denke, dass wir gut daran tun, auch sehr bald dem österreichischen Publikum zumindest einmal die erste Folge der bisher drei fertig gestellten Teile zu zeigen. Zum Start des Weihnachtsprogramm am 20.12. wird es soweit sein.
Noch einmal zurück zum Alltäglichen: Wird „Guten Morgen Österreich“ noch lange durchs Land fahren und wie sieht die Zukunft der Sendung aus?
„Guten Morgen Österreich“ etabliert und ist ein unbestrittener Bestandteil des Gesamtangebots. Es ist wirklich das geworden, worum wir uns natürlich bei allen Formaten bemühen, nämlich nah am Zuseher zu sein, seine Lebenswirklichkeit kennenzulernen und ihn dort abzuholen und ihm das Gefühl zugeben, „Da bist du medial zuhause“ zu geben. Das ist ja auch eine der Aufgaben von ORF 2. Das Echo ist jedenfalls wunderbar, jeder freut sich, wenn einmal dieser Truck vorbeikommt. Das heißt, er wird noch länger fahren.
Danke für das Gespräch.