Causa Westenthaler: "ORF-Geschäftsführung soll rechtliche Schritte prüfen"
Von Christoph Silber
Es ist beispiellos in der Geschichte des ORF: 30 Stiftungsräte (von insgesamt 35) kritisieren in einem Brief an FPÖ-Vertreter Peter Westenthaler dessen Umgang mit dem Öffentlich-Rechtlichen und seinen Mitarbeitern. "In den vergangenen Wochen haben Sie öffentlich Äußerungen über den ORF und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF getätigt, die als Verletzung Ihrer gesetzlichen Pflichten als Stiftungsrat des ORF qualifiziert werden können", heißt es in dem Brief, der dem KURIER vorliegt.
Westenthaler in seinem Antwortschreiben: "Ich bestätige den Eingang des Schreibens eines Teils des Stiftungsrates und teile Ihnen mit, dass ich mir von niemanden den Mund verbieten lasse."
Den Brief, der am Donnerstag verschickt wurde, haben Gremien-Mitglieder über (nicht-blaue) Parteigrenzen hinweg und aus sechs Bundesländern unterschrieben. Nicht unterfertigt haben die Vertreter von SPÖ, Wien sowie, weil nicht gefragt, jene des Burgenlands und Kärntens.
Der SPÖ-nahe Wiener Stiftungsrat Norbert Kettner begründet das gegenüber dem KURIER damit, dass er hier die ORF-Führung am Zug sehe. „Wenn jemand meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Öffentlichkeit so beschimpft, dann ergreife ich rechtliche Schritte." Der ORF habe eine hervorragende Rechtsabteilung. "Ich frage mich, wo die ganze Zeit über die Geschäftsführung hier bleibt? Ich erwarte von ihr, dass sie rechtliche Schritte prüft und wenn möglich auch ergreift." Die Geschäftsführung habe darüber zu entscheiden. "Das ist nicht Sache von Stiftungsräten.“
Wahlkämpfer
Vor nicht einmal drei Monaten hat Westenthaler im obersten ORF-Aufsichtsgremium Anwalt Niki Haas als FPÖ-Stiftungsrat abgelöst. Damit war dort auch die Zeit der diplomatischen Töne vorbei - aus Sicht der Blauen rechtzeitig für den anstehenden Nationalratswahlkampf. Seit dem hat Westenthaler, der nebenbei Dauergast beim Fellner-Sender oe24 ist, nahtlos dort angeschlossen, wo er als FPÖ/BZÖ-Politiker aufgehört hat. Als solcher hatte er als Teil einer "Regenbogen-Koalition" Alexander Wrabetz auf den ORF-Chefsessel befördert.
Einige der Attacken Westenthalers führt auch der Brief der 30 Stiftungsräte an: Der ORF sei eine „Propagandamaschine“; „unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit“ werde „parteipolitische Agitation betrieben“; einen ORF-Mitarbeiter betreffend „ich bin so ausgefressen, ich brauch das Geld, ich muss meinem Luxus frönen“ etc.
Nach dem blauen Dauerfeuer ist 30 Stiftungsräten offenbar die Hutschnur gerissen. "Wir distanzieren uns von diesen öffentlichen Äußerungen, welche die Interessen des Unternehmens schädigen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF herabwürdigen. Wir fordern Sie auf, weitere Unternehmens-schädigende und herabsetzende öffentliche Aussagen zu unterlassen."
Kritik an Form der Kritik
Sachliche Kritik sei "wesentlicher Teil unserer Aufgaben als Organ des ORF und unverzichtbar für dessen Weiterentwicklung. Entscheidend ist aber mit Blick auf das Unternehmenswohl, dem wir alle gesetzlich verpflichtet sind, in welchem Rahmen und in welcher Form Kritik geäußert wird."
Schlussendlich wird Westenthaler empfohlen, sich über die rechtlichen Grundlagen seiner Tätigkeit im ORF-Stiftungsrat zu informieren "sowie über Folgen von Pflichtverletzungen."
Fehlentwicklungen
Der Ex-FPÖ/BZÖ-Politiker schließt mit der gleichen Empfehlung und teilt zuvor kräftig aus: "Ich stehe zu jeder einzelnen meiner Aussagen in der Öffentlichkeit und auch Grün und Türkis/Schwarz im Stiftungsrat werden sich daran gewöhnen müssen, dass ich an den zahlreichen Fehlentwicklungen im ORF, bei denen Sie meist nur stumm und tatenlos zusehen, meine offene Meinung äußere. Ob Ihnen das aus Ihrer parteipolitischen Sicht passt oder nicht." Das Wohl des ORF hänge nämlich nicht an deren parteipolitisch bedingten oder sogar verordneten Taten- und Kritiklosigkeit sondern am Aufzeigen und künftigen Verhindern von Unternehmens-schädigenden Fehlern und Fehlentwicklungen. "Jede einzelne meiner Aussagen dient der Verbesserung des Rufes und des Ansehens des ORF und letztlich dazu, weiteren Schaden abzuwenden." Außerdem erinnere er daran, "dass wir in Österreich in einer Demokratie leben und Meinungsfreiheit haben."
Nicht der Partei verpflichtet
Erst jüngst hatte der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates, Lothar Lockl, via KURIER an die Adresse von Gremienmitgliedern erklärt: "Unser Ziel muss es sein, dafür zu sorgen, dass die ORF-Mitarbeiter das bestmögliche öffentlich-rechtliche Programm machen können, aber nicht, tagespolitischen Hickhack und Wahlkampf-Töne in den ORF und seine Gremien zu tragen." Man sei als Stiftungsrat zuallererst den Eigentümern des ORF, dem Publikum, sowie dem Unternehmen verpflichtet und nicht einer Partei, erinnerte Lockl, der von denen Grünen nominiert ist.
Forderung nach echter Entpolitisierung der Gremien
Indes warnt der ORF-Redaktionsausschuss: "In Österreich gibt es politische Kräfte, die den ORF in seiner jetzigen Form zerstören und nur einen sogenannten ,Grundfunk' übriglassen wollen. Das haben auch partei-interne Chats, die jetzt bekannt geworden sind, wieder deutlich gezeigt. Darin tauschen sich führende Politiker der damaligen Regierung darüber aus, wie sie ihr ,loyales' Personal im ORF unterbringen und den Sender auf Linie bringen wollen." Das ungarische Mediensystem unter Orban werde sogar als Vorbild genannt. Um das zu verhindern, "appellieren wir an die Bundesregierung, die vom Verfassungsgerichtshof verlangte Reparatur des ORF-Gesetzes umzusetzen - mit einer echten Entpolitisierung der Gremien", so die ORF-Redaktion in einer am Donnerstag veröffentlichten Resolution.