Journalist David Barstow: „Trump erinnert uns daran, unseren Job zu machen“
Von Nina Oberbucher
Lang und fad sei die Geschichte, die im Herbst 2018 in der New York Times über ihn geschrieben wurde, befand Donald Trump. Dass der US-Präsident keine Freude mit dem Artikel hatte, verwundert kaum: Schließlich deckten David Barstow und seine Kollegen darin auf, dass Trump wohl doch kein „self-made man“ ist, wie er stets von sich behauptet. Stattdessen hatte er mehr als einmal vom Vermögen seines Vaters, des Immobilien-Unternehmers Fred Trump, profitiert.
Und der Artikel zeichnet nach, wie die Familie Trump mit Methoden, die sich irgendwo zwischen geschickt und illegal bewegen, Steuergelder in der Höhe von rund 550 Millionen Dollar am Staat vorbei in die eigenen Taschen umgeleitet hat. Barstow und seine Kollegen erhielten für ihre Recherchen einen Pulitzer-Preis – für Barstow ist es der mittlerweile vierte. Er ist damit der Reporter mit den meisten Pulitzer-Preisen.
Bei einem Besuch in Wien sprach er mit dem KURIER über seine Recherchen und den Alltag als Journalist unter Trump.
KURIER: Mr. Barstow, Sie haben 18 Monate lang an der Geschichte über Trump gearbeitet und dafür mehr als 100.000 Seiten an Dokumenten durchforstet. Haben Sie nie den Überblick verloren?
David Barstow: Nein. Wenn man an solchen Geschichten arbeitet, muss man das Ganze immer auf viele kleine, sehr einfache Fragen herunterbrechen. Und dann versucht man jeden Tag, eine Antwort zu finden.
Die Dinge, die Sie herausgefunden haben, sind schon verjährt, strafrechtlich hat Trump keine Folgen zu fürchten. Ist das bitter für Sie nach all der Arbeit?
Überhaupt nicht. Ich schreibe schwierige Geschichten über sehr mächtige Leute. Und das Wichtigste daran ist, dass sie veröffentlicht werden. In vielen Ländern der Welt gibt es keinen investigativen Journalismus und die Leute, die ihn betreiben, werden mundtot gemacht oder aus dem Weg geräumt. Ich glaube, dass eine freie und unabhängige Presse das Recht und die Pflicht hat, den Fakten zu folgen – wo auch immer sie hinführen. Ob das, was ich schreibe, jemandem nützt oder schadet, ist nicht so wichtig wie das Veröffentlichen selbst. Seien wir uns ehrlich: Donald Trump ist nicht der erste Politiker, der über seine Finanzen lügt und er wird sicher nicht der letzte sein. Im Prinzip erzählen wir Journalisten immer wieder dieselben Geschichten: Wir schreiben über korrupte Politiker und Unternehmen, über Menschen, die Regeln und Gesetze brechen oder uns manipulieren. Was zählt, ist, dass wir damit nicht aufhören.
Haben Sie nie die Nase voll davon?
Zugegeben, es ist nicht immer der glamouröseste Job. Man arbeitet lange, sitzt alleine im Büro und versucht, einer Sache auf den Grund zu gehen. Ich sehe mich als Gärtner, der Unkraut jätet. Ein paar Wochen, Monate oder Jahre später wird an derselben Stelle wieder Unkraut wachsen und ich werde es wieder ausreißen. Aber es ist eine wichtige Aufgabe, denn wenn man das Unkraut nicht entfernt, kann der Garten nicht richtig gedeihen. Das ist nicht sexy, das ist nichts, woraus man einen Film macht, aber es hat etwas wirklich Befriedigendes.
Ihre Story über Trump war eine der längsten, die je in der New York Times veröffentlicht wurde. Immer häufiger werden Nachrichten aber in Häppchen über soziale Medien konsumiert. Schlechte Vorzeichen für investigativen Journalismus?
Darüber machen wir uns auch viele Gedanken. Einerseits müssen Journalisten die Leute dort abholen, wo sie Informationen, Nachrichten und Unterhaltung tatsächlich konsumieren. Deshalb haben wir auch einen Podcast gemacht, eine Dokumentation, eine Facebook-Version. Damit wir auch diejenigen erreichen, die keine 14.000 Wörter lesen wollen. Gleichzeitig zeigen uns die Zahlen aber, dass die Leute sehrwohl lange Geschichten auf ihren Handys und Tablets lesen – das war vor allem bei dieser Story der Fall.
Woran liegt das?
Ich glaube, dass die Menschen von so vielen verschiedenen Medien, von so vielen Süßigkeiten und Popcorn umgeben sind, während sie in Wahrheit auf der Suche nach einem ordentlichen Steak sind. Die Leute wollen Geschichten, die ihnen helfen, das große Ganze besser zu verstehen und die ihnen die Welt erklären.
Wie hat sich Ihr Alltag als Journalist verändert, seit Trump Präsident ist?
Er erinnert einen stets daran, dass wir die Freiheit, die wir als Journalisten in den USA genießen, nicht für selbstverständlich halten dürfen. Wir müssen noch härter daran arbeiten, Fakten zu überprüfen. Wenn wir einen Fehler machen, macht es das nur einfacher für Trump, uns Journalisten zu attackieren. Machen wir unsere Arbeit nicht gut, könnten die Pressefreiheit darunter leiden, die so wichtig für eine funktionierende Demokratie ist.
Trump hat eine sehr ambivalente Beziehung zu Medien.
Es ist paradox, denn auf der einen Seite fühlt er sich hingezogen zu den Medien. Es gibt keinen Tag, an dem er nicht irgendjemandem ein Interview gibt. Auf gewisse Weise ist er sogar zugänglicher für Journalisten als vorherige Präsidenten es waren, auch wenn er keine offiziellen Pressekonferenzen gibt. Gleichzeitig hatte kein Präsident, zumindest nicht zu meinen Lebzeiten, diese pressefeindliche Haltung. Trump schadet damit nicht nur der Pressefreiheit in den USA, sondern auf der ganzen Welt. Er bezeichnet Medien als „Feind des Volkes“, vermutlich, weil er erkannt hat, dass das ein einfaches Mittel ist, um seiner Basis zu signalisieren, dass sie uns keine Beachtung schenken sollen. Das Interessante ist, dass er die Medien selbst für dieses Branding nutzt.
Welches Unkraut wollen Sie als nächstes jäten?
Das verrate ich nicht (lacht).