Kultur/Medien

„Im Schatten der Angst“: Düsteres Spiel im Graubereich der Wahrheit

Eine junge Frau erscheint in der Nacht bei der Polizei und gesteht einen Mord. Das Problem: Der Tote und die geständige Anna Lobrecht (Mercedes Müller) standen sich schon einmal in einem Prozess gegenüber. Doch sie wurde damals von der forensischen Psychiaterin Karla Eckhard (Julia Koschitz) als pathologische Lügnerin eingestuft. Die lässt sich nun auf den Fall trotz Vorbehalten erneut ein und stößt in – auch eigene – Abgründe vor.

„Im Schatten der Angst – Du sollst nicht lügen“ (Sonntag, 20.15, ORF2) ist der zweite Film der Psycho-Thriller-Reihe mit Julia Koschitz. Atmosphärisch kann er an die mehrfach preisgekrönte Erstausgabe anschließen. Die Mona Film-Produktion ist ein dunkel-düsterer Streifen, bei dem der Reiz erneut insbesondere in den kammerspielartigen Szenen der Protagonistinnen liegt. „Sie sind mir vertraut, sie wissen, wie es ist, einsam zu sein. Und jeder macht mal Fehler“, sagt Anna, Auge in Auge mit der Psychiaterin. Was wie ein Verzeihen klingt, säht Zweifel. Oder ist es abermals ein Lügengebäude, das da entsteht?

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Schuld und Lüge

Tatsächlich ahnt man lange nicht, wohin dieses Spiel der beiden letztlich führen wird. Aber „der Mord bringt Karla Eckhards bisherige Diagnose ins Wanken und stellt damit die Psychiaterin selbst in Frage. Vordergründig steht im Raum, dass sie für eine Fehldiagnose verantwortlich ist, womit sie maßgeblich Schuld auf sich geladen hätte. Doch sie ist überzeugt, dass Anna an Pseudologie leidet, also lügt und versucht, ihre Unschuld zu manifestieren – und damit auch die eigene“, sagt Julia Koschitz.

Es ist aber mehr als die Schuldfrage, was den Reiz der Reise für die österreichische, in München lebende Schauspielerin ausmacht. Wie Karla selbst fragt: „Wo genau fängt eine Lüge an? Wo hört die Wahrheit auf?“

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Koschitz meint: „Es gibt ja nicht nur die bewusste Lüge, sondern auch das, was ein Mensch unbewusst unterschlägt oder übertreibt, um eine möglicherweise schmerzhafte Wahrheit, einen Fehler, zuzudecken.“ Der Ursprung liege fast immer in einer Kränkung, womit die Schuldfrage schon weit komplexer werde. In der Spiegelung zur Täterin erkennt Karla ihre eigene Verdrehung der Wahrheit. Denn auch sie ist durchaus ambivalent in ihrem Handeln und keine klassische Heldin. Ihre emotionale Welt bleibt weitgehend im Unklaren.

„In Zeiten, in denen Fake News zu einem stehenden Begriff geworden ist, meint man als bewusste Konsumentin von Information viel eher, im Besitz der Wahrheit zu sein“, sagt Koschitz. Hier bekommt man nun vor Augen geführt, dass es bei der Wahrheit „nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern auch etwas dazwischen, mit dem wir leben und umgehen müssen. Es ist schön, dass Regisseur Till Endemann dieses Spiel im Graubereich auch zulässt.“ In dem spielt auch der Auftritt von ROMY-Nominee Thomas Schubert, den die Liebe zur Lügnerin schon vor dem Mord zum Gewalttäter gemacht hat. Das macht ihn später zu einem möglichen Verdächtigen.

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Zumindest für Kommissarin Irene Radek (Susi Stach), die eine tief wienerische Note einbringt und ein Pfeifdrauf ist, bei dem seelische Abgründe sich aufs Blut am Tatort reduzieren. Für sie ist mit der Konstellation Tat-Opfer-Geständnis zunächst alles klar. „Sie glaubt nur, was sie sieht, weil sie ja eine klassische ,Kieberin‘ ist, was natürlich zu einem massiven Konflikt mit einer Psychologin führen muss“, erläutert Stach. Radek und Eckhard sind offenkundig in gegenseitiger Abneigung vereint, was auch viele Worte nicht kaschieren können. „Da ich Julia Koschitz lange kenne und sehr mag, hatten wir große Lust an einem starken Konflikt der beiden Figuren“, sagt Susi Stach.