Kultur/Medien

Hugo Portisch: „Die Europäer sind auf einem guten Weg“

Mit einer Maturaklasse vergleicht Hugo Portisch die europäischen Staaten. Ihre Abschlussprüfung haben sie absolviert, aber wohin die Abschlussreise gehen soll, sei noch nicht ganz klar. Eine Richtungsweisung wird die EU-Wahl bringen.

Aus diesem Anlass beleuchtet Portisch, ehemaliger KURIER-Chefredakteur und Chefkommentator im ORF, in einer neuen Doku-Reihe die Geschichte des Kontinents. „Die Geburt Europas“ ist heute, Freitag (Teil 1 und 2) und morgen, Samstag (Teil 3 und 4) jeweils ab 20.15 Uhr in ORFIII zu sehen. Ausgangspunkt ist in Episode eins das Jahr 1918, in dem die Großreiche zerfielen und Nationalstaaten entstanden. „Die Nationswerdungen waren eine Novität in Europa. Interessant ist, dass fast alle Länder in den 20er-Jahren Demokratien waren“, sagt Portisch im KURIER-Gespräch.

Als die ersten Krisen aufkamen, siegten Rechtspopulisten: „Da gibt es schon Parallelen zu heute“, so Portisch. Bedauerlich finde er das gegenwärtige Erstarken rechtspopulistischer Parteien in Europa. „In den ersten 50 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Bevölkerung sehr wohl gezeigt, dass sie aus der Geschichte gelernt hat, aber in den vergangenen zwanzig Jahren ist dieses Bewusstsein weggebröckelt. Die neuen Generationen ziehen keine Konsequenzen aus der Vergangenheit, die sie nicht kennen.“ Das Wichtigste sei daher Information – und da seien die Medien ganz besonders gefragt.

Lügen als Gefahr

Die EU stehe vor einigen Herausforderungen, Portisch nennt hier etwa die Frage des Zusammenhalts der Mitgliedsstaaten. Die größten Gefahren seien „Leute, die einfach lügen, wie die Brexit-Anhänger, die UKIP. Fast alle Argumente für den Brexit waren gelogen“, erzählt Portisch. Gefahr gehe auch von Rechtspopulisten aus. „Selbst Sebastian Kurz übertreibt mit seiner Kritik an der EU und man fragt sich, warum er das macht, er ist doch ein informierter Mann. Wenn man den Populisten etwas wegnehmen will, beginnt man, dort zu fischen.“

Offiziell präsentiert wurde Portischs neue Doku-Reihe am Mittwochabend in der Wiener Hofburg. Im Nationalratssitzungssaal, wo am Montag auch über das Misstrauen gegenüber Bundeskanzler Kurz abgestimmt wird, kam die Sprache schnell auf die aktuellen Geschehnisse, das Strache-Video und die daraus resultierende Regierungskrise.

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Lösbare Krise

Kurz habe versucht, die FPÖ zu zähmen – „das ist ihm auch teilweise gelungen, aber am Ende doch nicht“, meint Portisch. Die aktuelle Situation sei zweifelsfrei ungewöhnlich für Österreich, aber: „Im europäischen Geschichtsgedächtnis ist eine solche Krise, wie wir sie heute erleben, keine Außergewöhnliche und wir werden sehen, dass man sie lösen kann“, meint Portisch. „Ganz Europa musste aus seiner Vergangenheit lernen, einige haben viel gelernt, andere haben weniger gelernt, aber im Großen und Ganzen sind die Europäer auf einem guten Weg.“

Teil zwei der Doku-Reihe, heute ab 21.05 Uhr zu sehen, beschäftigt sich mit dem Zeitraum von 1938 bis 1945. Morgen (Samstag) geht es um 20.15 Uhr weiter mit den Jahren des Kalten Krieges, der vierte und letzte Part beleuchtet die Zeit vom Zusammenbruch der Sowjetunion bis zur Gegenwart der „Maturaklasse Europa“.

Portisch hat für das Projekt mit Oliver Rathkolb, Vorstand des Zeitgeschichte-Instituts, zusammengearbeitet, die Texte wurden von Schauspieler Cornelius Obonya eingesprochen. Zwischen den historischen Aufnahmen tritt aber auch Portisch selbst vor die Kamera und ordnet die Geschehnisse ein.

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