Helene Fischer Show: Silbereisens Humor auf die Probe gestellt
Von Peter Temel
(*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des Fernsehabends*)
Im unübersichtlichen Weihnachtsfernsehprogramm gibt es seit Jahren einen Fixstern, der Orientierung bietet: Die „Helene Fischer Show“. Etwas, das es zu Zeiten der immer verfügbaren digitalen Streams gar nicht mehr geben dürfte: Sich am 25. Dezember um 20:15 Uhr vor den Fernsehern zu versammeln.
Und wer zu eben dieser Uhrzeit bereits seinen allergrößten Hit „Atemlos“ anstimmt, sieht entweder die Notwendigkeit, sich selbst inmitten der vielen Streams wieder in Erinnerung zu rufen, oder hat nichts, aber auch gar nichts zu befürchten.
Letzteres trifft auf Helene Fischer zu, die offenbar auch keine große Überraschung am Schluss ankündigen muss, um die Zuseher drei Stunden lang bei der Stange zu halten.
Fischer funktioniert einfach. Und so wurde am bekannten Konzept, populäre Duettpartner einzuladen, und eine knallbunte, teilweise süßliche Mischung aus Schlager, Pop, Comedy und Akrobatik anzubieten, nicht viel verändert.
Spekulationen
Wenn nur das eine nicht wäre. Dass ihre Trennung vom zweiten großen Produkt des neuen deutschen Schlagerbooms, Florian Silbereisen, nur wenige Tage vor Weihnachten bekanntgegeben wurde, sorgte für Spekulationen in der Helene-Fischer-Welt. Wurde der Zeitpunkt bewusst gewählt? Wird die Trennung in der Show thematisiert? Wird der angeblich Neue an Fischers Seite, ein Akrobat, mit ihr durch die Luft wirbeln?
Der Zeitpunkt hat wahrscheinlich nicht geschadet, aber auch nicht wirklich genützt. Der Marktanteil bewegte sich mit ausgezeichneten 19,5 Prozent im Vorjahresniveau (durchschnittliche Zuschauerzahl im ZDF: 5,73 Millionen).
Auch die zweite Frage ist rasch beantwortet. Die Show war nicht live, sondern wurde am 7. und 8. Dezember aufgezeichnet. Ein direkter Verweis auf die Trennung war also gar nicht möglich, weil die Fans erst am 19. Dezember informiert wurden.
Bereits vor dem Sendetermin sickerte aber ein Zitat aus der Show durch, das wiederum Spekulationen anheizte, Fischer hätte zu diesem Zeitpunkt, als die Trennung schon vollzogen gewesen sein soll, bereits Andeutungen darüber gemacht.
Und der Luftakrobat? Der war schlicht und einfach nicht da. Was wiederum Spekulationen anheizte.
„Ich wollte mich nie mehr verlieben“
Das mit den Spekulationen ist ohnehin so eine Sache. Schon während der Show und unmittelbar danach wurde in den sozialen Medien die gesamte Songliste auf irgendwelche versteckten Hinweise („Ich wollte mich nie mehr verlieben“) geprüft. Es ist nur so, dass Fischers Œuvre zu gefühlt 99,9 Prozent aus Texten über Liebe, dem großen Kino dabei und den fallweise auftretenden Schmerzen besteht. Ein Narr also, der hier keinerlei Bezugspunkte findet.
So sang Fischer im Anfangs-Medley nach „Atemlos“ zum Beispiel den Song „Mit keinem Andern“. Der Autor dieser Zeilen will aus dem Text aber höchstens herauslesen, dass man „in zerrissenen Jeans“ heutzutage nur um die Häuser zieht, und nicht mehr durch San Francisco. Früher war mehr Lametta, sagt man.
Apropos Lametta. Angenehm an der Fischer-Show ist, dass auf Weihnachtskitsch fast vollkommen verzichtet wird. Also kein Kunstschnee, keine Weihnachtslieder, auch kein Spekulatius. Da sind Silbereisens „Adventsfeste“ weniger rücksichtsvoll. Ob diese Geschmacksunterschiede ein Grund für die Trennung waren? Eher nicht. Wir wollen ja nicht spekulieren.
255 Kilogramm Käse
Und dann waren da die Gaststars. Der erste wurde von Fischer als berühmter Italo-Star angekündigt, der sie angerufen habe, weil er unbedingt mit ihr ein Duett singen wolle. Sie denken dabei spontan an Zucchero? Nein, es war Eros Ramazzotti, der in guter alter „Wetten, dass..?“-Manier Werbung für seine Deutschland-Termine machte und gar nicht verhehlte, dass das der Grund seines Kommens war.
Wer die Ankündigungen für die Fischer-Show nur mit einem Ohr verfolgt hatte, wartete vielleicht tatsächlich auf den Italo-Barden Zucchero. Es handelte sich aber um das Akrobatik-Tanzprojekt Zurcaroh.
Fischer stellte die Vorarlberger Truppe vor, erzählte von ihrer Finalteilnahme bei „America’s Got Talent“. Das sei einmalig, ein Weltrekord! Was ist da jetzt Weltrekord, fragte man sich. Dass Akrobaten aus Vorarlberg kommen, oder dass jemand bei „America’s Got Talent“ ein Finale erreicht hat? Fischer ist im Singen und Tanzen jedenfalls wesentlich überzeugender als bei ihren Ansprachen.
Zurcaroh selbst sind tatsächlich akrobatisch und ziehen das Publikum in ihren Bann. So sehr, dass man nur durch starkes Scheinwerferlicht erkannte, dass diesmal Helene Fischer mittanzte.
Übrigens: Wenn man Vorarlberg und Weltrekord eingibt, spuckt Google folgendes aus: „255 Kilo Käse mit zwei Fingern gehoben“.
Dinosaurier und Schauspielersöhne
Bei der obligatorischen Fischer-Luftakrobatik-Nummer tanzten übrigens zwei Dinosaurier unter ihr auf der Bühne herum. Das wäre wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen, wenn die beiden Dinos echt gewesen wären. Jeder hat nur darauf geachtet, ob Fischers neuer Freund oben am Trapez schwingt.
Was war sonst noch? Michelle sang mit Helene Fischer, Maite Kelly sang mit Helene Fischer. Und weil für jede Altersschicht von 9 bis 99 etwas dabei sein soll, sang auch die großartige Paola Felix („Verstehen Sie Spaß?“) mit Helene Fischer - ihren Orbison-Evergreen „Blue Bayou“.
Auch ein gewisser Luis Fonsi sang gemeinsam mit Helene Fischer. Wer seinen Namen nicht kennt, kennt dafür seinen Sommerwelthit „Despacito“. Der 13-jährige Schauspielersohn Philias Martinek lieferte eine Talentprobe als Sänger ab, das galt auch für den Beitrag Hollywoods: Kiefer Sutherland, ebenfalls Schauspielersohn, aber schon 52 Jahre alt.
Schauspieler Florian David Fitz ist kein Schauspielersohn, aber ebenfalls gut bei Stimme. Er sang mit Helene Fischer „Something Stupid“. Fischer räkelte sich auf seinem Klavier und trank danach angeblich einen Whisky („Wir machen hier doch keinen Eistee rein.“).
Zwei Mal wurde Fischer von Männern mit nacktem Oberkörper getragen. Ein Mal von einem Akrobaten (nein, ein anderer!) und ein Mal von DSDS-Sieger Luca Hänni. „Es war mir eine Freude, auch wenn es sehr intim war, aber es war sehr schön“, sagte Fischer dazu.
Jetzt fragten sich natürlich wieder viele, was wohl Silbereisen dazu sagt. Wir nicht.
Botschaft
Ein bisschen Botschaft war auch. Zum Beispiel die, dass Fischer auf der Suche nach Neuem nicht einmal vor dem Jodeln und österreichischem Dialekt zurückschreckt. Zu hören war das bei Hubert von Goiserns „Heast as net“, das Fischer gemeinsam mit der österreichischen Singer-Songwriterin Ina Regen sang.
Die generelle Weihnachtsbotschaft Fischers lautete aber: Bleibt einzigartig, bewahrt euch eure Träume und seid nett zu einander.
Und da war noch ein sehr bemerkenswerte Botschaft: Im Land habe sich „etwas verändert“, sagte sie. „Wir erleben Hass und Gewalt mitten in Deutschland.“ Ihr Lied „Wir brechen das Schweigen“ wurde zu einem Appell für mehr Zusammenhalt. Fischer: „Danke, dass ich gerade erleben durfte: Wir sind mehr.“ Damit zitierte sie das Motto, unter dem viele Menschen im Sommer auf die rechten Kundgebungen in Chemnitz reagiert hatten.
Auch mit dem Duett „Regenbogenfarben“ - gesungen mit der offen lesbisch lebenden Schlagersängerin Kerstin Ott - lud Fischer in eine Welt der Vielfalt und Offenheit.
Ganz schlechter Humor
Leider blieb die Show nicht frei von jeder Peinlichkeit. Und das geschah vor allem dann, wenn Fischer sich mit Comedians die Bühne teilte. Die Ausflüge in die Filmwelt mit dem tollpatschigen Martin „Maddin“ Schneider („Isch bin dein Vadder“) waren noch einigermaßen erträglich. Aber der Liebeskummertratsch, den Fischer mit Comedian Olaf Schubert inszenierte, verursachte Schmerzen - wohl nicht nur bei Florian Silbereisen.
Da wurde über Beziehungsstress und Versöhnungssex gescherzt, die dabei kurz angesungenen Lieder reichten von Udo Lindenbergs „Ich lieb dich überhaupt nicht mehr“, "Sie liebt dich nicht" (nach Sabrina Setlur), über Michael Wendlers „Sie liebt den DJ“ bis zu „Time To Say Goodbye“, wobei Schubert bei letzterem versuchte, im Andrea-Bocelli-Stil zu trällern.
Dass diese Szenen nach der Verkündung des Liebes-Aus zwischen Fischer und Silbereisen nicht am Schnittpult geopfert wurden, fällt unter die Kategorie: ganz schlechter Humor.
Erfüllung und Dankbarkeit
Die zweite Anspielung auf die Trennung kurz vor Ende der Show fiel dann doch wesentlich gefühlvoller aus. Fischer sagte, bevor sie „Gib mir Deine Hand“ sang: “Ich glaube, jeder von uns weiß, wie schmerzhaft es ist, wenn eine Beziehung zu Ende geht, wenn ein Lebenstraum zerplatzt. Man ist traurig, natürlich kommt irgendwann vielleicht auch ein bisschen die Wut dazu und der Schmerz sitzt unheimlich tief. Aber ich bin ganz fest der Überzeugung: Irgendwann fängt die Zeit an, die Wunden zu heilen und man merkt, dass man nicht nur verloren hat, sondern auch gewonnen hat und zwar einen Schatz voller Erinnerungen und wunderschöner Momente, die für immer bleiben werden und dafür sollte man eigentlich dankbar sein.“
Es war überhaupt viel Dankbarkeit in dieser Show. Und so sagte die Fischer am Ende: „Ich bin so erfüllt und dankbar für diesen Abend, Ihre Helene Fischer.“
Am 12. Jänner wird Florian Silbereisen übrigens beweisen können, wie es um seinen Humor steht. Da steigt in der ARD seine Liveshow „Schlagerchampions - Das große Fest der Besten“. Dafür war - zumindest noch bis vor Kurzem - auch Helene Fischer angekündigt.
Eines ist jetzt schon klar: Größtmögliche Disziplin und Professionalität sind zu erwarten.