"Fleabag": Die tragikomische Serie geht in die letzte Staffel
Von Nina Oberbucher
Blutverschmiert steht sie gleich zu Beginn der ersten neuen Folge vor einem Spiegel – und man weiß, dass sich Protagonistin Fleabag wieder mitten ins Chaos gestürzt hat. Die gleichnamige Serie startet heute, Freitag, beim Streamingdienst Amazon Prime Video in die zweite Staffel – mit einem äußerst unangenehmen Familiendinner.
Dass der Vater und das „Stiefmonster“ (herrlich boshaft: Oscar-Preisträgerin Olivia Colman) dabei ihre Hochzeitspläne kundtun, ist noch das kleinste Übel des Abends. Zwischen verschiedenen Katastrophen verliebt sich Fleabag auch noch – und zwar ausgerechnet in den Priester, der die Trauung durchführen soll (Andrew Scott, bekannt unter anderem als Fiesling Morarty in der Serie „Sherlock“). So kommt es, dass die sonst so umtriebige Antiheldin nun brav in die Kirche geht.
Erfolg als Theaterstück
„Fleabag“ (was auf Deutsch so viel wie Ekelpaket bedeutet) entstammt der Feder von Phoebe Waller-Bridge, die auch selbst die Titelrolle spielt. Die 33-jährige Britin aus gutem Hause war nach dem Schauspielstudium in ersten kleineren Rollen zu sehen – unter anderem in „Die Eiserne Lady“ an der Seite von Meryl Streep.
Die teils eindimensionalen Frauenfiguren, die ihr anfangs angeboten wurden, fand sie aber enttäuschend. Also schrieb sich Waller-Bridge ihre eigenen Rollen und trat 2013 beim renommierten Theaterfestival Fringe in Edinburgh mit ihrer tragikomischen One-Woman-Show „Fleabag“ auf. Das Stück begeisterte, die BBC bekundete sogleich Interesse, daraus eine Serie zu machen.
Von "Killing Eve" bis "James Bond"
Mittlerweile ist Waller-Bridge eine der gefragtesten Drehbuchautorinnen: Sie adaptierte unter anderem die Romane von Luke Jennings für die hochgelobte und preisgekrönte Serie „Killing Eve“ mit Sandra Oh und Jodie Comer und wurde jüngst engagiert, sich um den neuen „James Bond“ zu kümmern: Daniel Craig persönlich soll für seinen letzten Auftritt als Agent 007 nach Waller-Bridge gefragt haben, die nicht nur ihren leicht schrägen Humor in die Drehbücher einbringen wird, sondern auch die Aufgabe hat, aus den Bond Girls „echte Menschen“ aus Fleisch und Blut zu machen. Nichts leichter als das für Phoebe Waller-Bridge.
Durch die vierte Wand
Die Figur der Fleabag ist ein Paradebeispiel dafür: Die junge Frau sagt und tut, was sie will; pfeift darauf, wie sie sich angeblich zu benehmen hat oder wann sie mit wem Sex haben soll. Sie kennt keine Tabus, hat ein Gespür für Fettnäpfchen und man bekommt als Zuschauer zu Recht Bauchweh, wenn ihr wertvolle Gegenstände aus Glas anvertraut werden.
Was sie erlebt, kommentiert Fleabag durch die vierte Wand hindurch, mit durchaus derben Sprüchen und vielsagendem Blick in die Kamera. Und während man noch zwischen Lachen und Fremdschämen hin- und hergerissen ist, wird langsam klar, dass Fleabag eigentlich ein zutiefst trauriger Mensch ist.
Staffel zwei soll zugleich das Ende von „Fleabag“ sein, auch das Theaterstück will Waller-Bridge nicht mehr aufführen. Die letzten Vorstellungen im Sommer in London sind ausverkauft, Tickets werden im Internet für bis zu 600 Pfund gehandelt.
Langweilig wird Waller-Bridge sicher nicht, das nächste Projekt steht schon fest: die Serie „Run“ für den US-Sender HBO.