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"Das schneiden’s jetzt aber ned ausse" - Der "herbe Charme" des Herbert Kickl

* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*

 

Eine Politik ohne Herbert Kickl. Der FPÖ-Chef kann sich das vorstellen, wie er zuletzt lanciert hat. Bei den ORF-„Sommergesprächen“ stellte sich das aber offenkundig als Koketterie dar. Denn dort erklärte er im lockeren Vorgespräch mit Susanne Schnabl, er habe das in dem Sinn gemeint, dass ihm „nicht fad“ werden würde, wenn es mit der Politik vorbei sein sollte. Er halte sich eben gern in der Natur auf und wolle noch etwas von der Welt sehen. Aber ob das tatsächlich eine Option ist, wenn ihn nach einem eventuellen FPÖ-Wahlsieg niemand zum „Volkskanzler“ machen will?

Nachher, im „Stasi-Verhörzimmer“, so wie er den fensterlosen Schauplatz des eigentlichen Gesprächs nannte, hatte Kickl ganz andere Sorgen. Die Tatsache, dass das „Sommergespräch“ bereits am Freitag vor der Ausstrahlung am Montag aufgezeichnet wurde, gab offensichtlich Munition fürs Schüren von Misstrauen. „Das schneiden’s jetzt aber ned ausse, gö?“ sagte Kickl nach seinem Stasi-Verhörzimmer-Vergleich. Tatsächlich zeigte die Kamera alles. Auch, wie sich die beiden Gesprächspartner anschwiegen, Kickl sich umblickte und am Wasserglas nippte. Etwas gespenstisch mutete das an.

Schnabl reagierte übrigens betont gelassen auf den Stasi-Sager.  "Naja... im Parlament, wenn Sie das sagen.“

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Die Sorgen des Herbert Kickl

Der „herbe Charme“, den Kickl dem Zimmer zusprach, ist auch dem FPÖ-Chef zu eigen. Da ist auch wenig Respekt gegenüber dem Gastgeber vorhanden. Der ORF habe „nicht das beste Ambiente“ gewählt, er hoffe, dass nicht alle im ORF das Sprechzimmer für die "Einservariante" gehalten haben.

Kickl freute sich, einmal mehr Zeit für Antworten zu haben als z. B. beim „Report“. Daher reagierte er auch recht empfindlich auf Unterbrechungen. Als er beim Thema Fachkräftemangel und Zuwanderung vom „wunderschönen Wort“ Gastarbeiter schwärmte, hob Schnabl leicht die Hand. Kickl: „Jetzt unterbrechen’s mich aber ned.“ 

Schnabl konterte charmant: „Ich hab ja noch gar nichts gesagt.“ 

Der FPÖ-Chef hat eben so seine Sorgen in einem ORF-Ambiente.

Politisch machte er sich Sorgen, dass in den Schulen mehr gegendert werde als Lesen, Schreiben, Rechnen gelehrt. Auch das wurde nicht herausgeschnitten.

Als Schnabl ihn an die unter Türkis-Blau versprochene „Patientenmilliarde“ erinnerte, beschwerte sich Kickl über die Unterbrechung. Er machte sich Sorgen um das „Sommergespräch“. „Dann müssen wir es wieder so machen wie im ‚Report‘.“ Und wieder: „Das schneiden’s jetzt aber bitte ned heraus.“

„Natürlich nicht, wir enthalten nichts vor, Herr Kickl“, sagte Schnabl.

Identitäre wie Greenpeace

Auch nicht, dass Kickl die rechtsextreme Identitäre Bewegung mit NGOs wie Greenpeace verglich, oder mit Global 2000, deren Kampf gegen Gentechnik er auch „für ein unterstützenswertes Projekt“ halte. 

"Ich hätte mich ja zu wetten getraut, dass es keine Sendung im ORF gibt, wo nicht die Identitären ein Thema sind. Und deswegen - und das schneiden's mir bitte auch nicht raus - mache ich Ihnen den Vorschlag: Wenn Sie so sehr an den Identitären und ihrer Programmatik interessiert sind, laden's doch einmal einen von diesen Leuten ein."

Zur Erinnerung; Wir halten nach zwanzig Minuten Sendezeit bei der dritten Schnitt-Warnung.

Beim Umschiffen problematischer Fragestellungen zeigte sich Kickl selbst als politischer Schnittmeister. Die FPÖ-Chefs von Salzburg und Oberösterreich wollen bei der von ihm geforderten Nulllohnrunde für Politiker nicht mitmachen? Kein Problem. Kickl will auch ein Einfrieren der Politikergehälter auf Landesebene den Nationalrat entscheiden lassen und möchte den Ball so der ÖVP und der SPÖ zuschieben.

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Nummer vier

Als Schnabl einwarf, dass die Parteienförderung dann konsequenterweise auch eingefroren werden müsste, nützte Kickl die Chance zu einem besonders groben Schnitt, und prangerte im Gegenzug die jüngst beschlossene ORF-Haushaltsabgabe („eine Zwangsgebühr“) an.

„Ihre Position zum ORF kennen wir hinlänglich“, erwiderte Schnabl.

„Das dürfen Sie auch nicht hinausschneiden“, betätigte sich Kickl zum vierten Mal als selbsternannter Regisseur.

„Wir schneiden nix hinaus, keine Angst“, sagte Schnabl. „Ich weiß nicht, warum Sie so viel Angst haben.“

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Woher kommt die Angst?

Thema Klimakrise. Schnabl fragt nach den Unwetterfolgen in Kärnten und einem Landesfeuerwehrkommandanten, der diese auf den Klimawandel zurückgeführt hat. Kickl: „Jetzt müssen Sie mir versprechen, dass Sie mich nicht nach drei Sätzen unterbrechen.“

Schnabl: „Ich weiß nicht, woher Ihre Angst kommt, Sie dürfen eh immer ausreden.“

Kickl: „Ja weil Sie’s immer machen …“

Tatsächlich konnte der FPÖ-Chef fast durchgehend ausführliche Antworten geben. Gewisse Beißreflexe scheinen sich einfach eingebrannt zu haben. Wobei Kickl schon bissiger rübergekommen ist bei ORF-Interviews.

Wenn er die Klimawissenschaft dann aber als „Glaubenskongregation“ einstufte, schien er wieder in seinem Element. 

Schnabl erinnerte ihn sanft an die Frage nach dem Landesfeuerwehrkommandanten.

Kickl: „Ich glaube nicht, dass ein Landesfeuerwehrkommandant in der Klimawissenschaft aktiv ist.“

Wäre der Florianijünger ein Klimaexperte, würde er dessen Aussage respektieren? Das war  ein gewisser Widerspruch zum vorher Gesagten.

Keine einfachen Antworten

Wenn es um die Forcierung erneuerbarer Energie gehe, gebe es „keine einfachen Antworten auf komplexe Probleme“.

Immerhin neue Worte aus dem Munde eines FPÖ-Chefs. Aber gleich danach folgten bekannter klingende Töne: „Die Bevölkerung wird besachwaltet von selbsternannten Eliten.“

Große neue Ideen suchte man vergeblich. Die wolle er sich für den Wahlkampf aufheben, meinte Kickl sinngemäß. Denn sonst werfe die ÖVP  wieder die Kopiermaschine an und bringe FPÖ-Ideen in Billigversion. In dieser Disziplin sei die Volkspartei „wie die Chinesen“.

Solche Vergleiche stellte er mit der SPÖ nicht an. Was noch auffiel: Um seine Forderung nach mehr Netto vom Brutto zu untermauern, zog er als Beispiel für einen Ländervergleich ein Monatsgehalt von 4.000 Euro brutto heran. Das ist bereits gehobener Mittelstand und ist ein weiteres Signal in Richtung ÖVP-Klientel. Ob er aber auch das  österreichische Spezifikum des 13. und 14. Monatsgehalts eingerechnet hatte, fiel unter den Tisch.

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Vorbild Figl für Kickl?

Und so landete man am Ende wieder beim historisch belasteten Begriff „Volkskanzler“, den Kickl für sich seit Längerem beansprucht. Dabei habe er an Leopold Figl (ÖVP) gedacht, sagte er, dieser sei ein „Kanzler aus dem Volk für das Volk“ gewesen und nicht „ein Kanzler aus dem System für das System“.

Zum Schluss sollte er sein Politikverständnis als Buchtitel auf einen leeren Buchdeckel schreiben. Besonders kurz und knackig fiel dieser nicht aus: „Bring es auf den Punkt! Hin zum Volk, Abkehr von den selbsternannten Eliten.“ 

Aber Kickl zeigte sich dann noch fast großzügig: „Schauen’s. Ich unterschreib’s Ihnen noch.“

Auch die Sorgen hinsichtlich böser Schnitte  erwiesen sich als unbegründet. Armin Wolf sagte in der nachfolgenden „ZiB 2“, dass die Aussagen Kickls ungekürzt auf Sendung gingen.

Es ist ein nicht ungeschickter Move von Schnabl, das Gespräch zeitlich so zu gestalten, dass keine Passagen zu entfernen waren. Nicht auszudenken, wenn Kickls Ängste begründet gewesen wären.

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