Adele Neuhauser als Transfrau: "Ich habe auch gefragt, ob es okay ist, dass ich das spiele"
Von Nina Oberbucher
„Es ist einer der schönsten Filme geworden, die ich je gemacht habe“, sagt Adele Neuhauser über ihr neues TV-Projekt: In „Ungeschminkt“ (heute, Mittwoch, 20.15 Uhr in ORF2 zu sehen) spielt sie die Transfrau Josefa, die nach dem Tod der Mutter in ihr Heimatdorf in den Bergen zurückkehrt – zum ersten Mal, seit sie es vor mehr als 40 Jahren im Streit verlassen hat. Damals lebte sie noch nicht offen als Frau.
Das Drehbuch von „Vorstadtweiber“-Autor Uli Brée habe Neuhauser „von Anfang an in den Bann gezogen“, erzählt die Schauspielerin im KURIER-Gespräch. „Mir war wichtig, dass nicht reißerisch und voyeuristisch erzählt wird, was ich Uli auch nicht zugetraut hätte – aber dass er sich dem Thema so sensibel annähert, damit habe ich nicht gerechnet.“
Große Liebe
Josefas Geschlechtsangleichung liegt im Film bereits in der Vergangenheit. Als sie ihr altes Zuhause aufsucht, wird sie dort mit ihrer Ex-Frau Petra (Eva Mattes) und ihrem Jugendfreund Blume (Ulrich Noethen) konfrontiert. „Sie erkennt, dass da noch große Liebe ist – aber auch, dass große Verletzungen passiert sind. So sind alle gezwungen, sich endlich hinzusetzen und miteinander zu reden. Es dauert eine Zeit, bis sie es tun – aber sie tun es und das ist sehr heilsam.“
Der Film erzähle im Grunde „vom Menschsein, von Verletzungen und vom Verzeihen. Und er lässt einen hoffnungsfroh in die Zukunft schauen“, findet Neuhauser. „Nur weil man selbst Großes durchlebt hat, ist man nicht zwingend der Einzige, der tragische Erfahrungen gemacht hat. Auch Josefa verhält sich nicht immer korrekt. Als Menschen begehen wir Fehler. Aber es gibt die Möglichkeit, sie wieder gutzumachen.“
Der Film
Nach der Komödie „Faltenfrei“ (2021) ist „Ungeschminkt“ das nächste gemeinsame Projekt von Schauspielerin Adele Neuhauser, Drehbuchautor Uli Brée und Regisseur Dirk Kummer.
Die Besetzung
Neben Neuhauser standen u. a. Eva Mattes, Ulrich Noethen und Hayal Kaya vor der Kamera. Letztere spielt die Hauptrolle in „Seeland – Ein Krimi vom Bodensee“ (Donnerstag, 20.15, ARD) und ist Deutschlands erste Trans-TV-Kommissarin.
Der Dreh
Gedreht wurde im Frühjahr 2023. Mit Julia Monro war eine Sensitivity-Beraterin involviert, um auf die authentische Darstellung von Transpersonen zu achten.
Neben Josefas Geschichte wird auch die ihrer besten Freundin Antonia erzählt (gespielt von Hayal Kaya, selbst eine Transfrau), die Anfeindungen und körperliche Gewalt erfährt. Und der Film zeigt Alltagssituationen, die für Transpersonen schwierig werden können – etwa Behördengänge.
„Die Thematik wurde in den letzten Jahren medial auf eine manchmal geschmacklose Weise ausgeschlachtet“, sagt Neuhauser. „Das hat mich sehr vorsichtig gemacht. Ich wollte sehr genau mit dem Thema umgehen, um Transpersonen nicht zu verletzen und gleichzeitig auch nicht dem gängigen missachtenden Ton noch mehr Stimme zu geben.“
Darf man das?
Sie habe sich Dokumentationen angeschaut und in der Literatur recherchiert, was es bedeutet, eine Geschlechtsangleichung vorzunehmen, erzählt Neuhauser über die Vorbereitung auf ihre Rolle. „Und ich habe Gespräche mit Transpersonen geführt und dabei auch gleich gefragt, ob es okay ist, dass ich das spiele.“ Immer wieder wird diskutiert, ob auch Menschen, die diese Erfahrung nicht selbst gemacht haben, Transpersonen in Filmen spielen dürfen. „Von meiner Warte aus gesehen ja – und es war beruhigend zu hören, dass es auch von Transpersonen akzeptiert wurde. Es geht darum, mit welcher Sensibilität man ein Thema behandelt. Das ist mir generell wichtig“, meint Neuhauser. Zum Schauspielberuf gehöre es dazu, sich einer Materie anzunähern – „eben auch aus einer gewissen Distanz heraus.“
Gedreht wurde „Ungeschminkt“ im Frühjahr 2023 in München und Umgebung, von wo Neuhauser ein unfreiwilliges Souvenir mitgebracht hat: Kurz vor Drehende stürzte sie mit dem Fahrrad auf die Schulter und musste operiert werden.
„Jetzt habe ich eine Platte mit neun Schrauben da drinnen. Ich bin also aus Titan“, berichtet sie lachend. Wegen dem Sturz musste ihr Folgeprojekt „Mama ist die Best(i)e“ – ein Krimi für ServusTV – um ein ganzes Jahr verschoben werden und konnte erst heuer gedreht werden. Das Drehbuch dafür schrieb ebenfalls Uli Brée – und die nächste Rolle für Neuhauser hat er auch schon in Arbeit. „Eine ganz andere Geschichte, eine sehr spannende. Aber ich will noch nicht zu viel erzählen“, so 65-Jährige. Konkrete Rollenwünsche würde sie bei Brée nicht deponieren, „weil er immer wieder so tolle Ideen für mich hat“.
Gerade jetzt nach dem Ergebnis der US-Wahl sei eine Produktion wie „Ungeschminkt“ umso wichtiger: „Social Media lässt Hass, Intoleranz und Empathielosigkeit auf einen sehr nahrhaften, grauenhaften Boden fallen. Das ist sehr gefährlich.“ Der Film hingegen zeige, „wie wichtig die physische Begegnung ist.“