Kultur

Lewitscharoffs Katzen-Krimi

Sibylle Lewitscharoff hat in letzter Zeit viel gesagt und einiges zurückgenommen.

Nur wenige Wochen vor dem Erscheinen ihres neuen Romans "Killmousky" ist ein medialer Sturm über sie hereingebrochen. Ausgelöst hat sie ihn selbst.

In einer Rede hat sich die Schriftstellerin gegen künstliche Befruchtung ausgesprochen und sich dabei kräftig in der Wortwahl vergriffen. Derartig gezeugte Menschen seien "Halbwesen", verkündete Lewitscharoff, Tochter eines Gynäkologen, aufgebracht.

Die vielfach Ausgezeichnete hat für diese Aussagen mehrfach um Vergebung gebeten. Gewährt wurde sie ihr nicht.

Im deutschen Feuilleton setzte es Schmähungen gegen die bald 60-jährige Stuttgarterin. So sehr man die Bachmann- und Büchner-preis-Trägerin gerade wegen ihrer Verve gepriesen hatte: Nun wurde ihr diese Freimütigkeit zum Verhängnis.

Tugendterror Vielleicht war es auch ein unglückliches zeitliches Zusammentreffen, dass Lewitscharoff just dann ihre Gedanken sprudeln ließ, als sich Thilo Sarrazin vom "Tugendterror" verfolgt fühlte und Kolumnist Mathias Matussek mitteilte, er habe kein Problem damit, "homophob" zu sein.

Was das mit Lewitscharoff zu tun hat?

Man kreierte rasch den schönen Begriff der "Das-wird-man-ja-noch-sagen-dürfen-Publikation" und warf die reuige Schriftstellerin in eben diesen Topf.

"A bissle arg" sei der Mediensturm gewesen, der auf sie einschlagen habe, sagte Lewitscharoff der Zeit. Dabei ist die studierte Religionswissenschaftlerin liberal eingestellt, weder extrem klerikal noch homosexuellenfeindlich und hat, sagt sie, meistens SPD gewählt.

Allerdings war politische Überkorrektheit noch nie das Markenzeichen der Schwäbin. Sie ist Meisterin der Polemik, schleudert Pointen und übertreibt, wenn’s denn passt.

Auf der Wiener Buchmesse 2013 redete sie sich schwäbelnd in Rage, als sie mit dem Online-Händler Amazon abrechnete: "Wenn ich eine Firma hasse, dann diese!"

Angriffslust

Auch in ihren Romanen besticht eben diese erfrischende Verbindung aus sprachlicher Brillanz und Angriffslust. In der schwarzen Komödie "Apostoloff" macht sich die Tochter eines Bulgaren und einer Deutschen über bulgarisch-schwäbische Klischees lustig und rechnet in einer grotesken Suada mit dem Heimatland ihres Vaters ab.

Mit "Killmousky" scheint sie nun völlig neue Wege eingeschlagen zu haben. Der altmodische Krimi ist eine Hommage an Raymond Chandler, der bereits im Mittelpunkt ihrer Zürcher Poetikvorlesung stand. Chandler habe "wirkliche Heldengeschichten geschrieben".

"Killmousky" ist nun ihre Heldengeschichte rund um den ehemaligen Kriminalhauptkommissar Richard Ellwanger. Der erlaubt sich zwar zwischendurch den politisch unkorrekten Hinweis, dass die Münchner Innenstadt voll "verschleierter Saudifrauen", allesamt "Schlitzguckerinnen" sei, ansonsten aber hat er das Herz am rechten Fleck. Der Typ des melancholisch-moralischen Detektivs, den auch Chandler ermitteln ließ. Vielleicht weniger sexy. An Bogart denkt man bei Ellwanger nicht. Eher an Polizeiinspektion 1.

Ellwanger hat den Dienst quittiert, weil er sich moralisch richtig, aber gegen das Gesetz verhalten hat (er hat einen Kindermörder geschlagen). Bis ihn der Auftrag im fernen New York ereilt, lebt er zurückgezogen mit seinem Kater, Killmousky (sprich "Kill-Maus-Ki"). Der heißt so, weil er eines Nachts plötzlich auf der Terrasse stand, just, als Inspector Barnaby im Fernsehen lief, der ja auch einen Kater dieses Namens hat. Die liebevollen Schilderungen des eigenwilligen Tiers sowie dessen rätselhaftes Auftauchen erinnern an den Löwen aus Lewitscharoffs Roman "Blumenberg", der dem Philosophen nachts Trost spendet.

Bauernschläue

Richard Ellwanger ist eine Mischung aus hartgesottenem, kettenrauchendem Einsiedler und leicht provinziellem Kerl mit "gesundem Menschenverstand". Mit noblen Hotels hat er’s nicht so und den Mick Jagger, sinniert er, als er durch New York streunt, den hat er noch nie leiden können. Erst recht nicht sein seltsames Lied vom "hüpfenden Hans Blitz" ("Jumping Jack Flash").

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Mit Bauernschläue und Erfahrung kämpft er sich durch eine Story, die starke Anleihen an Chandlers "Langem Abschied" nimmt. Auch hier ein reicher Vater mit mäßig gut geratenen Töchtern: die eine tot, die andere bildschön, aber Alkoholikerin. Ausgerechnet sie will mit dem deutschen Inspektor ins Bett. Hier gelingt eine Story, die wie aus der Zeit gefallen scheint. Hungrig eilt man durch Ellwangers Mördersuche zwischen New York und Gerabronn. Ob man sich auch mit Ellwanger im Geiste unterhalten möchte, wie Lewitscharoff das erklärterweise mit Terry Lennox aus Chandlers "Langem Abschied" tut? Eher nicht, dazu fehlt ihm das Geheimnis. Und irgendwie wirkt diese Story zu glatt. Man vermisst die Lewitscharoff’sche Schärfe.

KURIER-Wertung:

INFO: Sibylle Lewitscharoff: „Killmousky“. Suhrkamp. 223 Seiten 20,60 Euro.