Kultur

"Lazarus": Abflug in den Tod

Franz Schubert und die Bühne – das war schon zu Lebzeiten des Komponisten keine ideale Kombination. Kaum ein Werk hat es trotz zahlreicher Versuche längerfristig ins Repertoire der Opernhäuser geschafft. Und auch Claus Guths Interpretation des dreiteiligen Oratoriums „Lazarus“ im Theater an der Wien dürfte wohl keine wirkliche Schubert-Renaissance auf der Bühne einleiten. Das aber hat mehrere Gründe.

Pasticcio

Zum einen das Werk an sich. Schuberts Musik bricht – aus welchem Grund auch immer – mitten im zweiten Teil ab. Die Geschichte rund um Tod und Auferstehung des Lazarus ist also Fragment geblieben. Das hat Regisseur Guth und sein Team veranlasst, weitere Werke Schuberts wie auch Stücke von Charles Ives „The Unanswered Question“, plus eine Piece aus „Three Places in New England“) zu verwenden, um die Handlung fertig erzählen zu können. Dass die Musik ganz gut zu „Lazarus“ passt, steht auf der Habenseite dieses Experiments.

Szenenbilder aus "Lazarus"

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Himmelstreppe

Aber: Was will Regisseur Guth denn eigentlich erzählen? Er verortet das Ganze in einem Transitraum am Flughafen. Ansagen und Flughafen-Geräusche stehen zwischen den einzelnen musikalischen Nummern. Christian Schmidt (Ausstattung) hat dafür eine gigantische weiße Halle samt einer Art Himmelstreppe errichten lassen. Hier erhält Lazarus die Diagnose einer tödliche Krankheit, hier erlebt er die Klagen seiner auf Wartebänken sitzenden Schwestern, hier trifft er auf eine Stewardess, die ihm seine letzte Stunde vor dem Abflug, vor dem Abschied verkündet. Und hier will ein Businessman (Simon) seine Reise ins Nichts antreten. So weit, so gut.

Nummernrevue

Wenn gesungen wird, friert Guth die übrige Szenerie ein – das ergibt auch schöne Tableaus. Ein Tänzer (Paul Lorenger) ist das Alter Ego von Lazarus. Das ist alles klug gedacht, bleibt aber wie die Musik Stückwerk. Nummer folgt auf Nummer, Szene folgt auf Szene. Nur: Solche musikalischen Abende, die um irgendein Thema kreisen, gestalten Künstler wie Franz Wittenbrink oder Christoph Marthaler weit zwingender.

Schade, dass auch die musikalische Seite die Notwendigkeit dieser „Lazarus“-Produktion nicht deutlich machen kann. Zwar ist Michael Boder am Pult der biederen Wiener Symphoniker um Konturen bemüht, doch klingt Ives viel spannender als Schubert. Auf den neuen Symphoniker-Chefdirigenten Philippe Jordan kommt noch einiges an Arbeit zu.

Und die Sänger? Kurt Streit spielt den sterbenden Lazarus glaubwürdig und intensiv, stimmlich hat der Tenor in der Höhe so seine Probleme. Annette Dasch und Stephanie Houtzeel bleiben als Schwestern vokal blass, Ladislav Elgr ist noch viel blässer. Ein echter Lichtblick ist die Sopranistin Çigdem Soyarslan; brillant agieren der Bariton Florian Boesch (Simon) und der großartige Arnold Schoenberg Chor. Höflicher Applaus für alle.

KURIER-Wertung: