Kultur

Kunstmesse Viennacontemporary: Eine Szene in guter Verfassung

Wer mit der Schnellbahn zur Kunstmesse Viennacontemporary anreist, marschiert beim Gebäude des Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT) vorbei. Ist es legitim, denkt man sich dann, die Kunst und ihre Institutionen als Schutzinstrumente unserer geistigen Verfassung zu bezeichnen? Nicht zufällig leiden ja künstlerische Querdenker meist als Erste unter autoritären Tendenzen.

Dass die Marx-Halle als Austragungsort der Viennacontemporary bis 2027 gesichert ist, vermittelt jedenfalls einen Hauch von Stabilität: Die Halle drohte zuletzt ja von wohlmeinenden Immo-Entwicklern zugehüttelt zu werden und war im Vorjahr von einem Brand betroffen.

Marktplatz für Ideen

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Obwohl die Messe ohne Zweifel eine hoch kommerzielle Veranstaltung ist, hat sie sich die Atmosphäre eines Möglichkeitsraums bewahrt: Die Galerien bieten hier zum größten Teil keine Luxus-Trophäen an, sondern riskieren Präsentationen von weniger prominenten Künstlerinnen und Künstlern. Sie nähren so den Glauben, dass es am Kunstmarkt auch um Ideen gehen könnte – und dass Sammeln eine Form intellektueller Teilnahme sein kann.

Jene, die stets genau wissen, was Kunst ist, werden freilich nicht verstehen, warum Menschen 5500 € für einen an die Wand genagelten Eisbergsalat zu zahlen bereit sind ( Karin Sander, bei Galerie nächst St. Stephan). Auch die vor sich hin kristallisierenden Bodenobjekte von James Lewis (Galerie Hubert Winter, 2400 €) sind kein Kunsthandwerk – doch die Werke sind lebendig, wie auch die Debatte darüber, was gerade kunstwürdig, relevant und zeitgemäß ist, nie stillsteht.

Viel ist in Bewegung

Die heurige Viennacontemporary reflektiert dabei auch die Lebendigkeit der heimischen Galerienszene, in der junge Unternehmen mit durchaus gewagter Programmierung zu beachteten „Playern“ aufgestiegen sind – die Galerie Gianni Manhattan, die einen Plätscherbrunnen in der Halle platziert hat, oder die Wiener Galerie Sophie Tappeiner seien hier exemplarisch erwähnt.

Auf internationaler Ebene ist ein reger Ausstellerwechsel zu bemerken, wobei der traditionelle Osteuropa-Fokus nicht mehr so dominant zutage tritt – Galerien aus Riga oder St. Petersburg sind auf der Messe nichts Außergewöhnliches mehr, Kunstschaffende aus Ost- und Südeuropa stellen auch bei Galerien aus Wien aus – auf die Präsentationen von Hilger und SCAG Contemporary sei hier verwiesen.

Wie sich dieser Mix nach dem jüngst angekündigten Abgang der künstlerischen Leiterin Christina Steinbrecher-Pfandt verändern wird, bleibt abzuwarten: Messe-Inhaber Dmitry Aksenov will bis Jahresende die Nachfolge präsentieren.

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Der Russe sähe Wien gern als eine Art „ Davos für Kunst“, was etwas hoch gegriffen scheint – eine Messe bleibt auch mit intellektuellem Rahmenprogramm ein Marktplatz. Dass am Wochenende neben der Messe Parallel Vienna und dem Galerienschwerpunkt Curated By noch ein „Humanities Festival“ und ein kunsthistorisches Symposium stattfinden, zeigt, dass auch noch andere Spieler am Feld stehen. Dennoch: Die Aktivität der Szene in diesen Tagen ist toll und für Wien wichtig. Wer nicht partizipiert, darf hinterher nicht meckern, es sei in der Stadt nichts los.