Kultur

Der Junge Schwarze Mann: Belvedere zeigt Werkschau von Amoako Boafo

Die Worte eines ehemaligen Belvedere-Kurators klingen noch im Ohr Ihres Rezensenten: Nach dem Tod eines Künstlers, sagte der Mann vor Jahren sinngemäß, müsse mindestens eine Generation ins Land ziehen, bevor Kunsthistoriker sich mit dessen Werk befassen sollten.

Und jetzt das: Ein Maler, der vor fünf Jahren noch an der Wiener Akademie der bildenden Künste studierte und als höchste Weihe den „STRABAG Art Award“ vorzuweisen hatte, bekommt eine Ausstellung in den Palasträumen des Unteren Belvedere, deren Wände noch dazu allesamt quietschbunt ausgemalt wurden.

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Und damit nicht genug: Sogar im Allerheiligsten der Anstalt, dem Saal mit Klimts „Kuss“ im Oberen Belvedere, ist ein Frauenporträt von Amoako Boafo ausgestellt. Es stammt aus dem New Yorker Guggenheim Museum und hängt neben Klimts Bildnis der Fritza Riedler von 1906. Die Dargestellte verschwimmt dort in ähnlicher Weise mit dem Hintergrund und den Mustern von Möbel und Kleidung, wie es die Figuren in den Bildern des 1984 geborenen Künstlers tun.

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Auf Klimt geschielt

Dass Boafo sich intensiv mit der Wiener Moderne auseinandergesetzt hat, ist unübersehbar in der Schau des Belvedere, die den Titel „Proper Love“ trägt (die „angemessene Liebe“ konnte die Wiener Secession Boafo offenbar nicht bieten – 2022 sagte der Künstler eine dort geplante Ausstellung ab). Aus den häufig quadratischen Bildern Boafos schauen stolze Figuren ihr Gegenüber direkt an – Figur, Farbe und Ornament scheinen regelrecht gegen die Bildoberfläche zu drücken, um parallel ihre Stärken auszuspielen.

Es steckt viel Klimt in diesen Werken, aber nicht nur: mit strahlenden Flächen von Gelb, Weiß oder Pink und nicht zuletzt auch den großen Formaten sind Boafos Bilder viel mehr auf direkte Präsenz und schnelle Wirkung angelegt, nicht zuletzt deshalb können sie in der Konkurrenz auch bestehen.

Natürlich ist der bloße Akt der Gegenüberstellung schon ein Ausdruck großen Selbstbewusstseins – von jenem Boakos als jungem, schwarzem Künstler, aber auch von jenem seiner afro-diasporischen Community.

Dass Boako damit zum Star des internationalen Kunstmarkts wurde, hat mit Kräften zu tun, die er nicht zwingend kontrollierte: Die Entdeckung durch den Obama-Porträtisten Kehinde Wiley via Instagram 2017, die Vermittlung an das in Miami residierende, geschmacksbildende Sammlerpaar Don & Mera Rubell 2019 und nicht zuletzt die „Black Lives Matter“-Bewegung ab 2020 taten das ihre, um den Künstler rasant in den Olymp zu heben.

Trendig – na und?

Der Reflex des gelernten Österreichers ist es wohl, dem Belvedere vorzuwerfen, auf einer Trendwelle zu surfen.

Allerdings tragen die Werke die große Ausstellung mühelos. Die Präsentation – mit den erwähnten Wandfarben und der frechen Konfrontation der Kunst um 1900 mit dem „Jugend-Stil“ Wiens um 2020 – ist tatsächlich dazu angetan, Menschen willkommen zu heißen, die mit Museen sonst nicht viel anfangen. Nicht zuletzt das touristische Publikum dürfte die Schau goutieren.

Vor Ort erinnert Boakos Geschichte daran, dass sich der Status Wiens als Kunststadt längst nicht mehr über eine eingesessene lokale Szene definiert: Vielmehr haben Künstlerinnen und Künstler, die hier studieren, arbeiten und oft auch wieder weggehen, den Ruf der Stadt zuletzt geprägt. Die Boafo-Schau demonstriert mit Leihgaben aus Paris bis New York auch die globale Ausbreitung des Sammlerpublikums.

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Was sie allerdings kaum zeigt, ist die Entwicklung des Künstlers selbst: Nur ein paar Frühwerke im letzten Raum geben eine Ahnung davon. Was nach dem Markt-Hype und dem Markenzeichen-Stil kommt, und ob Boafo es langfristig mit Schiele – der seine Hauptwerke auch innerhalb nur weniger Jahre schuf – aufnehmen kann: Das werden die Kunsthistoriker künftiger Generationen zu bewerten haben.