Kruder & Dorfmeister: Debütalbum mit 25 Jahren Verspätung
Von Marco Weise
Das Gute zuerst: „1995“ klingt so wie erwartet. Unauffällig.
Das liegt daran, dass das bisher noch fehlende Debütalbum von Kruder & Dorfmeister aus der Vergangenheit kommt. Das Material dafür wurde nämlich zwischen September 1993 und Oktober 1995 aufgenommen und wegen fehlender Muße nie fertiggestellt. Es landete stattdessen im Archiv, wo die zwei Virtuosen der Wiener Musikszene jährlich dessen Reifegrad überprüften.
Nun scheint das Album ausreichend abgehangen zu sein: Zeit, es zu veröffentlichen.
Ordentlich
Für Kruder & Dorfmeister ist „1995“ nicht nur das erste gemeinsame Album, sondern auch ein Schlussstrich; der noch fehlende Absatz in ihrer Biografie, die sich – stark verkürzt – so liest: Wien Mitte der 1990er-Jahre – grau und langweilig. Da einem in den zwei, drei relevanten Clubs der Stadt immer das Gleiche geboten wird, hängt man lieber zu Hause ab, lädt sich Freunde ein, raucht Gras, macht Musik und sich einen schönen Abend auf der Couch. Bei einer dieser Sessions lernten einander Peter Kruder und Richard Dorfmeister kennen. Kruder, gelernter Friseur, Dorfmeister, Musikstudent. Es sind zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Typen, die aber einiges verbindet – u. a. ihre Leidenschaft zu analogen Klangerzeugern. Mit diesen zimmerten sie im Homeoffice auch ihre Debüt-EP „G-Stoned“ zusammen.
Vier Tracks mit Folgen: Wien wurde zur Hauptstadt des Downbeat – Kruder & Dorfmeister waren die Stars dieses Genres. Remix-Arbeiten für Depeche Mode und Madonna folgten, ihr Beitrag zur „DJ-Kicks“-Reihe brachte ihnen dann noch weitere große Gigs auf dem internationalen Parkett ein. Es war alles vorhanden, was eine erfolgreiche Karriere ausmacht. Eines aber fehlte – es war das Debütalbum.
Dieses wurde nun aus der Schublade geholt und fertig editiert. Die 15 neuen bzw. alten Tracks tragen austauschbare Namen wie „Dope“, „Morning“ und klingen 25 Jahre nach deren Entstehung so, als hätten sich K&D selbst gesampelt.
Für viele Fans ist das sicherlich eine gute Nachricht, denn sie bekommen nun endlich Nachschlag: Einmal mehr vom Gleichen, bitte!
Stoned
Und so beginnt „1995“ auch dort, wo „Original Bedroom Rockers“, die letzte Nummer auf der „G-Stoned“-EP, 1993 aufgehört hat. Man hört Hintergrundgeräusche, ein Sample, viel Hall – und los geht der einstündige Trip. Der Puls senkt sich, der Blutdruck stimmt. Die Wiener Melange aus Hip-Hop, Trip-Hop, Dub, Jazz, Knusperelektronik und atmosphärisch-eingerauchten Klängen wirkt herrlich sedativ.
Dynamik? Fehlanzeige! Stattdessen plätschern die Beats im Schritttempo dahin, Loops drehen sich um die eigene Achse. Man hört Bläser, Panflöten, knackige Bässe und weichgespülte Gitarren, die als Füllmaterial dienen. Es ist der Sound, der mit den ihnen damals zur Verfügung stehenden Mitteln und elektronischen Kastln eben möglich war. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Nach rund 20 Minuten weiß man nicht mehr so genau, ob das jetzt schon ein neuer Track ist, der da gerade läuft. Oder ist es immer noch der alte? Wow, das Zeug fährt.
„1995“ ist ein Album für nebenbei. Es will nichts von einem, es drängt sich nichts auf. Es ist Nachschub für die Playlisten der Bars, Lounge-Clubs, Cafés, Sauna-Landschaften, Fahrstühle und Boutiquen.
„1995“ klingt eben so wie erwartet – nach 1995.