Konzeptkünstler Lawrence Weiner mit 79 Jahren gestorben
Von Michael Huber
"Lawrence Weiner hofft, zur Preisverleihung anreisen zu können", hieß es erst vor wenigen Tagen, als die Universität für Angewandte Kunst bekannt gab, den großen Konzeptkünstler heuer mit dem Oskar-Kokoschka-Preis, einem der wichtigsten Kunstpreise Österreichs, ehren zu wollen.
Doch Weiner wird nicht kommen: Am Donnerstag ist er im Alter von 79 Jahren gestorben, wie das Magazin Artforum als erstes berichtete.
Mit Weiner verliert die Kunstwelt eine Persönlichkeit, die tatsächlich den Lauf der (Kunst)-Geschichte veränderte. Denn als Hauptvertreter der Konzeptkunst der 1960er etablierte er eine damals völlig neue - und enorm folgenreiche - Art, Kunst zu denken und zu definieren. Formalisiert wurde sie in seiner "Declaration of Intent" (Absichtserklärung) von 1968, die lautet:
1. Der Künstler kann das Werk selber ausführen. (The artist may construct the piece.)
2. Das Werk kann (von einer anderen Person) angefertigt werden. (The piece may be fabricated.)
3. Das Werk muss nicht ausgeführt werden. (The piece need not be built.)
Jede Möglichkeit ist gleichwertig und entspricht der Absicht des Künstlers, die Entscheidung über die Ausführung liegt beim Empfänger zum Zeitpunkt des Empfangs. (Each being equal and consistent with the intent of the artist the decision as to condition rests with the receiver upon the occasion of receivership.)
Die Kunst existiert also schon als Idee und wird vom Rezipienten vollendet: Dieses Prinzip exerzierte Weiner in der Folge vor allem mit Schriftzügen durch, die als Kristallisationspunkt für eigene Gedanken dienen konnten. In Wien berühmt wurde der Schriftzug "Smashed into Pieces - In the Still of the Night", der ab 1991 auf dem einstigen Flakturm im Wiener Esterhazypark prangte, bevor er im Zuge einer Renovierung übermalt - Weiner sagte "zerstört" - wurde.
Oft hatten Weiners Schriftzüge auch Anleihen bei der Seefahrt: "Nach dem Ende von dem Kai" stand 1996 in der Kunsthalle Krems, "All Above Board" in einer Ausstellung seiner langjährigen Wiener Galerie Hubert Winter 2019. Es waren Anleihen an seine Jugend, in der er u.a. auf Öltankern und Lagerhallen gearbeitet hatte. 1960, als achtzehnjähriger, startete er seine erste Kunstaktion, das "Cratering Piece": Er ließ auf einem Feld Sprengstoff detonieren und erklärte die entstehenden Krater zur Skulptur. Ähnlich simpel und dabei humorvoll waren andere frühe Arbeiten: "Ein halber Liter weißer Hochglanzlack auf den Boden gegossen und trocknen gelassen" oder "Ein Viertel Frostschutzmittel auf das Eis in Little America Ross Dependency Antarctica geschüttet und dort belassen" waren auch Befreiungsgesten gegenüber der etablierten Malerei.
In der Folge etablierte sich Weiner weltweit, seine Arbeiten sind in den wichtigsten Museen vertreten.
Weiner, der auch im persönlichen Auftreten einen gemütlichen Seebären mit Schalk im Nacken verkörperte, war mit Österreichs Kunstwelt intensiv verbunden - 1993 nahm ihn die Künstlerinnengruppe "Die Damen" als Mitglied auf, immer wieder stellte er hier aus, 2016 in einer großen Solo-Schau im Kunsthaus Bregenz.
Dass sein ursprünglich im Rahmen der Wiener Festwochen entstandenes Werk - anders als die meisten seiner anderen Werke - permanent im öffentlichen Raum bleiben würde, erfüllte ihn mit Stolz, die Entfernung mit Ärger. Heute ist die Arbeit an die Fassade der Uni für Angewandte Kunst affichiert. Sie wird die Würdigung Weiners für "herausragende Künstlerische Leistungen" nun posthum durchführen müssen.