Kultur

Jüdisches Filmfestival mit Hommage an Israel: Realität und Utopie

Die Geschichte Israels begann nicht erst mit dessen Gründung: Seit dem Zionistenkongress 1897 kämpften Theodor Herzl und seine Mitstreiter um einen jüdischen Nationalstaat in Palästina, das damals Teil des Osmanischen Reiches war. Zu Beginn stand der Aufbau von Kibbuzim, 1909 wurde Tel Aviv gegründet. Von 1922 an hatte das Vereinigte Königreich das Mandat über Palästina; aber selbst während des Holocausts war eine legale Einreise nahezu unmöglich. Erst am 14. Mai 1948 zogen sich die letzten britischen Streitkräfte zurück – und David Ben-Gurion verlas die Unabhängigkeitserklärung. In den Applaus mischten sich der Lärm arabischer Angriffe, die einen 15 Monate langen Krieg einläuteten – und die Konflikte dauern bis heute an.

Das 75-Jahr-Jubiläum ist dennoch ein Grund zum Feiern. Und Frédéric-Gérard Kaczek AAC hat das von ihm 1991 gegründete Jüdische Filmfestival Wien unter das Motto „75 Jahre Israel – Realität und Utopie“ gestellt. „Das Land steht seit Anbeginn im Fokus der Weltöffentlichkeit“, so der aus Belgien gebürtige Kameramann. „Wegen seiner Politik und seiner Position im Nahen Osten, aber auch wegen der Friedensinitiativen und der Multikulturalität.“

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All diese Aspekte spiegeln sich im Programm des JFW (die meisten Filme als österr. Erstaufführung). Zu sehen sind u. a. „Apples and Oranges“ (über Kibbuzim und die 60er-Jahre), „Blue Box“ (über legale Landankäufe und Aufforstungsprojekte) und „Prophets of Change“ (über Kooperationen zwischen palästinensischen und israelischen Musikern). Natürlich dürfen Dokus über die großen Persönlichkeiten Israels nicht fehlen, etwa über den ersten Ministerpräsidenten („Ben-Gurion, Epilogue“) bzw. über Nachfolgerin Golda Meir („Golda“). Und „Rabin, The Last Day“ von Amos Gitai aus 2015 ist der Ermordung von Yitzhak Rabin gewidmet. Der Regisseur wird beim Festival auch über seinen Film „Laila in Haifa“ (aus 2020) sprechen.

"Es war einmal in Palästina"

Für die Eröffnung am 19. April im Village Cinema Wien Mitte konnte Kaczek den Historiker Tom Segev gewinnen, der mit Büchern wie „Die siebente Million“ und „Es war einmal ein Palästina“ bekannt wurde und mit seiner Israel-kritischen Haltung Debatten ausgelöst hat. Kaczek, Sohn in der NS-Zeit aus Wien geflüchteter Juden, will sein Festival nicht verpolitisieren, obwohl er unmissverständlich betont, dass Filmkunst ohne politischen Background lediglich der Unterhaltung dient. Als jüdischer Vermittler musste er sich aber schon die Frage stellen: „Wie kann ich Israel feiern, wenn dort täglich gegen die neue Regierung protestiert wird?“ Bei der Podiumsdiskussion am 20. April sollen aber auch die positiven Seiten beleuchtet werden. Und als Kontrast zu Segev wählte Kaczek für die Eröffnung den lebensbejahenden Film „Karaoke“ aus.

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Liebe und Leidenschaft dürfen auch nicht fehlen: „Marrying Myself“ behandelt tabulos-fröhlich weibliche Selbstfindung, „The Other Widow“ zeigt die Situation einer heimlichen Geliebten. Die italienisch-französische Koproduktion „Alla Vita/ Tu choisiras la vie“ widmet sich einer Frau, die gegen den ihr vorgeschriebenen Lebensweg rebelliert, „Matchmaking“ dreht sich um das amüsante Bemühen eines Ultraorthodoxen, eine Liebesheirat statt einer arrangierten Ehe einzugehen.

Zu sehen sind auch internationale Top-Produktionen: Dustin Hoffman und Candice Bergen brillieren in „As They Made Us“ von Mayim Bialik. Daniel Auteuil spielt in „Adieu, Monsieur Haffmann“ einen Pariser Goldschmied, der sich vor den Nazis versteckt. „Die Kunst der Stille – L’Art du Silence“ würdigt den Pantomimen Marcel Marceau als Résistance-Kämpfer. Und Bernadette Wegenstein porträtiert in „The Conductor“ die US-Dirigentin Marin Alsop, derzeit auch Leiterin des RSO.

Info: Von 19. 4. bis 3. 5. im Village Cinema Wien Mitte und im Metro Kinokulturhaus.

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