Kultur

Haus der Geschichte: "Dafür reicht der Platz nicht aus"

Seit Februar 2017 leitet die Historikerin Monika Sommer, 1974 in Linz geboren, das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ). Das Geschichte-Museum ist in der Neuen Burg am Heldenplatz untergebracht – und zeigt ab Mitte November in Räumlichkeiten, die das Kunsthistorische Museum zur Verfügung stellt, eine Ausstellung zum 100-Jahr-Jubiläum der Republiksausrufung. Das weitere Schicksal des HdGÖ bleibt ungewiss.

KURIER: Wird es nun einen befristeten oder unbefristeten Vertrag geben?

Monika Sommer: Das ist eine kulturpolitische Entscheidung – und die steht noch aus. Ich bin als wissenschaftliche Direktorin nicht zuständig. Das HdGÖ ist organisatorisch in die Nationalbibliothek eingebunden. Die Geschäftsführungen der beiden Institutionen sind im Gespräch. Wenn sie nicht mehr weiterkommen, werden sie wohl an den Herrn Minister herantreten.

Sollte das nicht langsam, ein halbes Jahr vor der Eröffnung, klar sein? Bei einem befristeten Mietvertrag wird man weniger Investitionen tätigen.

Dass die Situation nicht einfach ist, hängt mit einer Entscheidung der Vorgängerregierung zusammen. Die jetzige Regierung hat sich eine „Evaluierung“ des Projekts vorgenommen. Ich denke, dass es noch heuer eine Entscheidung geben wird, wie sich die Regierung die Zukunft des HdGÖ vorstellt.

Haben Sie mit Gernot Blümel, dem neuen VP-Kulturminister, reden können?

Noch nicht mit ihm persönlich. Aber wir haben jetzt einen Termin.

 

Wie sieht Ihre budgetäre Situation aus?

Thomas Drozda (SP-Kulturminister bis Ende 2017, Anm.) hat 1,2 Millionen Euro für 2017, zwei Millionen für 2018 und eine Million für 2019 mündlich zugesagt. Ich gehe davon aus, dass wir mit diesen Summen rechnen können. Für die Ausstellung inklusive Einrichtung – von den Garderoben bis zu den Kassen – gibt es zusätzlich 2,5 Millionen.

Und Ihr Ausstellungskonzept?

Methodisch haben wir uns trotz der knapp bemessenen Räumlichkeiten für eine doppelte Herangehensweise an dieses letzte Jahrhundert entschieden: eine chronologische – als Handlauf durch die Geschichte – und eine thematische mit mehreren Schwerpunkten.

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Die Prunkstiege hinauf zu den Sälen fungiert auch als Handlauf?

Nein, sie ist ausstellungstechnisch äußerst schwierig zu bespielen. Wir belassen die Stiege als das, was sie ist: eine architektonische Besonderheit. Wir müssen uns auf die sanierten Räumlichkeiten konzentrieren, das sind 1000 Quadratmeter. Dazu kommt das sogenannte „Mittlere Jagdplateau“, das auf den Altan hinausführt. Dort stehen 300 Quadratmeter zur Verfügung.

 

Sie sprechen vom „Altan“ – nie vom „Hitler-Balkon“. Negieren Sie nicht die Geschichte der letzten 80 Jahre?

Nein, das sehe ich nicht so. Mir geht es um einen differenzierten Umgang mit diesem Bauteil – und mit der Geschichte des Heldenplatzes. Wir wollen ihn nicht auf den 15. März 1938 ( Adolf Hitler verkündete den „Anschluss“, Anm.) reduzieren, sondern die gesamte Historie im Fokus haben. Deswegen haben wir uns auch an der Herausgabe des Buches „Mythos Heldenplatz“ beteiligt. Ich finde es zum Beispiel interessant, dass es nicht funktioniert hat, im kollektiven Gedächtnis das Bild vom 15. März 1938 zu überlagern – mit der Rede von Elie Wiesel, die er dort 1992 gehalten hat.

Das hat wohl mit Ursache und Wirkung zu tun. Ohne die Rede von Hitler hätte es jene von Wiesel nicht gegeben.

Richtig. Ich will die Geschichte dieses Balkons, der kein Balkon ist, nicht auf dieses singuläre Ereignis reduzieren. Ich will ihm etwas entgegensetzen. Daher haben wir die tolle Sound-Installation „The Voices“ von Susan Philipsz realisiert.

Sie ist bis Mitte November am Heldenplatz zu vernehmen – ganz zart. Oliver Rathkolb, der das Konzept für das HdGÖ erarbeitet hat, sprach sich für künstlerische Interventionen auf dem Hitler-Balkon aus. Sie pflichteten bei, nehmen aber nun davon Abstand.

Ich finde wechselnde künstlerische Herangehensweisen nach wie vor eine gute Idee, z.B. in Zusammenarbeit mit KÖR, Kunst im öffentlichen Raum. Aus unserem Budget aber können wir sie nicht finanzieren. Die Sound-Installation wurde erst durch eine Sonderfinanzierung des Kanzleramtes ermöglicht.

Was werden wir sehen – abgesehen von der Regierungsbank aus dem Parlament? Was haben Sie angekauft?

Wir haben z.B. zwei kleine Privatsammlungen mit Artefakten der Parteien quer durch das letzte Jahrhundert erworben: Abzeichen, Wahlgeschenke, ein von Wolfgang Schüssel signiertes Mascherl und so weiter. Es gibt auch viele Artefakte, die die Engelbert-Dollfuß-Verehrung dokumentieren. Wir haben bis jetzt mehr als 1700 Objekte – Ankäufe und Schenkungen.

Interessieren Sie sich für die Hitler-Büsten, die man im Parlament fand?

Ja! Man hat auch NS-Gemälde entdeckt. Wir sind in Gesprächen.

Sie werden das „Liederbuch“ der Germania präsentieren?

Wir bekommen es als Leihgabe vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands.

Haben Sie sich mit der Provenienzgeschichte beschäftigt? Es ist doch hoch interessant, wann und wie dieses Buch mit den antisemitischen Texten von der Burschenschaft ins DÖW kam.

Der Stadtzeitung Falter wurde das Liederbuch zugespielt. Das DÖW ist eine Forschungseinrichtung mit großen Erfahrungen in der Provenienzforschung.

 

Wie werden Sie sich mit Karl Renner auseinandersetzen?

Wir werden keinem einzigen Staatsmann einen Ehrenschrein einrichten, weder Leopold Figl noch Karl Renner oder sonst jemandem.

Er dichtete 1920 die Hymne „Deutsch-österreich, du herrliches Land“, obwohl der Friedensvertrag „Republik Österreich“ verlangte, um jede Nähe zum Deutschen Reich zu vermeiden. 1938 stimmte Renner „für Großdeutschland und Adolf Hitler“. Er genießt hohes Ansehen. Ist das nicht eigenartig?

Das sind wichtige Fragen. Wir haben aber andere Schwerpunkte gewählt. Daher kann es keine differenzierte Auseinandersetzung mit einzelnen Staatsgründern geben. Dafür reicht der Platz nicht aus.

 

Unter Drozda wurde die geplante Ausstellungsfläche reduziert. Ist die Neue Burg überhaupt noch der richtige Ort?

Ideale Ausstellungsräume sind jene, die als solche errichtet wurden. Jeder historische Bau bringt seine Besonderheiten mit sich, in denen zwar ein gewisser Charme liegt, aber die auch Hürden bergen.

Das heißt: Sie bestehen nicht auf einen unbefristeten Mietvertrag?

Die große Vision ist, dass sich die Republik zum 100-Jahr-Jubiläum einen Neubau für das HdGÖ schenkt – als republikanisches Zeichen. Al le unsere großen demokratiepolitischen Einrichtungen sind in Architekturen aus früheren Jahrhunderten untergebracht.

Die Parlamentspavillons auf dem Heldenplatz sind nagelneu.

Ja, diese Container sind ein Zeichen der Republik. Aber sie sind temporäre Bauwerke – für die Zeit, in der das Parlament saniert wird. Nach dem Abbau klafft hier eine Leerstelle. Wir sollten also bereits jetzt über die Weiterentwicklung des Heldenplatzes nachdenken!

Könnten die Pavillons nicht dauerhaft als HdGÖ weiterverwendet werden?

Ich finde, man sollte den Mut zu einer fundierten Lösung haben.