Handke in Zitaten: "Den Nobelpreis sollte man endlich abschaffen"
Der frisch ernannte Literaturnobelpreisträger Peter Handke stand dauerhaft im Widerstreit zwischen totalem Rückzug und öffentlichkeitswirksamen Aussagen. Ein Überblick über ein öffentliches Leben als Autor in Zitaten der vergangenen Jahre.
Zum Selbstverständnis:
"Habt keine Angst vor mir. [...] Ich bin ein epischer Mensch im Sinne Tolstois. [...] Ich habe den Traum und habe die Kraft, universal zu sein." (Bei der Verleihung des Würth-Preises 2016)
"Ich habe nie Aktuelles behandeln können - im Gegensatz zu anderen Stückeschreibern. Es ist mehr ein präziser Tiefentraum vom Menschsein. Aber natürlich, wenn dieser Traum nicht auch das Aktuelle zumindest streift und zum Schwingen und zum Ondulieren bringt, hat es auch keinen Sinn." (Im APA-Interview 2016)
"Ich bin immer so größenwahnsinnig, dass ich denke: Mein Problem ist nicht nur meines. Sonst würde ich ja nicht schreiben." (ebendort)
"Einer meiner Lieblingssprüche ist: Lass Dich überraschen! Überrascht mich! Oder: Der ist für eine Überraschung gut. Das ist meine Ethik." (ebendort)
"Ich bin ein Eckensteher, ein Winkelsteher - aber nicht zur Strafe, sondern auch zum Sehen." (ebendort)
"Früher hab ich ab und zu etwas Provokantes gesagt", aber es gebe auch "Provozieren im guten Sinn". (Im ORF-Interview 2007)
"Zum Glück bin ich in vielem ein nicht gerade gespaltener Mensch, habe aber die Möglichkeit, mich aufzuspalten - um das Wort "schizophren" zu vermeiden. Sonst wäre ich auch kein Theaterautor geworden." (APA-Interview 2012)
"Ich bin kein Extremfall. Nur dadurch, dass ich eben der und der bin mit meiner Arbeit, wirkt es manchmal extrem. Aber im Grunde bin ich relativ normal - im Vergleich zu den meisten anderen Leuten. Kommt mir vor." (ebendort)
Zum Kulturverständnis:
"Es gibt nur eine Kultur. Das Schöne ist: Diese eine Kultur hat unendlich viele Varianten - ob das die islamische Kultur oder die christliche ist." (APA-Interview 2016)
"Ich habe die Menschheit ja eigentlich nie verstanden. Aber jetzt verstehe ich sie noch weniger. [...] Ich habe gegen den Großteil der Medien keine Chance, und die Medien haben keine Chance gegen mich. Im Grunde ist es ein völlig sinnloses Gerangel." (2006 im Standard zur Debatte um die Verleihung des Heine-Preises an ihn)
"Ich habe den Eindruck, dass ich ein vertrauensvoller Mensch bin und dass ich dann manchmal eins drüber gezogen bekommen habe durch mein Öffnen. Und dass ich dann gemerkt habe, dass meine Melodie nicht ankommt, und ich die Tendenz entwickelt habe, mich zu verschließen oder auf der Hut zu sein." (APA-Interview 2012)
Zum Nobelpreis:
Die Auszeichnung bringe mit ihrer "falschen Kanonisierung" der Literatur nicht viel Gutes. "Den Nobelpreis sollte man endlich abschaffen." (APA-Gespräch 2014)
"Na so was! Super! Unglaublich! Gewaltig! Da muss ich mich erst einmal setzen." (Gegenüber der APA als Reaktion auf den Jelinek-Nobelpreis 2004)
Zu Österreich:
Berühmt wurde sein Aphorismus: "Das Fette, an dem ich würge: Österreich."
2010 sagte Handke im Interview mit der Kleinen Zeitung: "Ich würge nicht mehr. Das war damals so ein Moment. Ich war sehr reizbar, habe den österreichischen Dialekt nicht vertragen. Der Dialekt war für mich verbunden mit dem Aggressiven, Abtuenden, der Verachtung, die man gespürt hat. Inzwischen vertrage ich den Dialekt, weil ich ihn nicht mehr verbinde mit Haltung. Das ist auch eine Art von Reifen. Man reift ja nicht viel, aber ein bissel doch."
Zum Engagement für Serbien:
Sein umstrittenes Erscheinen beim Begräbnis von Slobodan Milosevic sehe er nicht als öffentlichen Auftritt: "Ich bin als privater Mensch hingegangen. [...] Ich war auf eine Weise Trauergast für das gestorbene Jugoslawien. [...] Mich hat etwas Stärkeres angetrieben als die Möglichkeit des Bedenkens." (ORF-Interview 2007)
"Ich habe nie Partei ergriffen. Ich habe dieses unerzählte Land erzählt. [...] Ich habe immer Pathos und Nationalismus abgewehrt, wenn ich hier war." (Im Zeit-Interview 2007)
"Demokratie ist ein fadenscheiniges Wort geworden. Sie wird als Schwert gegen andere Länder verwendet. Um uns sind noch und noch kleine Diktaturen. [...] An Stelle der G7 müsste sich endlich die Welt zusammensetzen. [...] Es geht nicht mehr über Wohlverhalten und Weltbank und Almosen und Schurkenstaaten, denn es gibt nur noch Schurkenstaaten. Ganz abgesehen davon, dass ich Schurken manchmal lieber mag als Gentleman-Killer." (2001 im News-Interview)
"Ich bin durch die Vorfahren meiner Mutter zur Hälfte ein Kärntner Slowene, ich will aber nicht extra meine Brust freimachen und das drauftätowieren lassen." (Im ORF-Interview 2007)
"Stecken Sie sich Ihre Betroffenheit in den Arsch! Ihr tut so, als gehört Euch das Leid und die tausenden Toten, Sie Jammergestalt! Ich rede nicht mit Ihnen, hauen Sie ab!" (Bei einer Lesung im Wiener Akademietheater 1996)
Zu seinem Glauben:
"Ich scheue mich, mich einen Christen zu nennen. Aber ich fühle mich in der Nachfolge Christi, ohne dass ich sein Nachfolger wäre. Er ist für mich die größte Gestalt in der Geschichte." (2006 im Zeit-Interview)
"Ich predige überhaupt nicht, obwohl ich nichts gegen schöne Predigten habe." (Im APA-Interview 2012)