GIS-Debatte: Front gegen mehr Geld für den ORF
Von Christoph Silber
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), wonach der kostenlose Empfang der ORF-Programme über das Internet verfassungswidrig ist, beschäftigte auch am Tag danach Politik und Marktteilnehmer. Denn nun muss die Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen auf neue Beine gestellt werden. Dafür hat der Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2023.
In der Regierung vor allem gefordert ist das ÖVP-geführte Medienministerium von Susanne Raab, wo schon länger Verhandlungen über u. a. ein neues ORF-Gesetz laufen. Dort gab man sich am Dienstag vorerst wortkarg: „Das VfGH-Erkenntnis ist zur Kenntnis zu nehmen und wird aktuell im Detail geprüft, insbesondere im Hinblick auf eine möglichst geringe Belastung für die Menschen in unserem Land.“
SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried fordert hingegen: „Die türkis-grüne Regierung verspricht seit zwei Jahren ein neues ORF-Gesetz. Medienministerin Raab soll endlich einen Vorschlag für ein Gesamtpaket auf den Tisch legen, das dann mit breiter Beteiligung diskutiert werden soll.“ Notwendige Rahmenbedingungen aus SPÖ-Sicht: „Finanzierungssicherheit für den ORF, eine zusätzliche Belastung für Haushalte, die bisher keine GIS zahlen, so weit wie möglich vermeiden, jedenfalls sozial ausgewogen gestalten.“ Dem ORF will Leichtfried online unter dem Stichwort „digitale Entwicklungsfreiheit“ die Türen sehr weit öffnen.
Klare Abgrenzung
Für den Verband Österreichischer Zeitungen gehört hingegen schon das Betreiben einer elektronischen Zeitung, gemeint ist die „blaue Seite“ orf.at, nicht zum gesetzlichen Auftrag des ORF. Man fordert „eine klare Abgrenzung zum Angebot privater Medienhäuser verlegerischer Herkunft, die ja ebenfalls über kostenpflichtige freiwillige Abos bezogen werden.“ Wegen der „beträchtlichen Schieflage“ am Medienmarkt durch 700 Mio. an Gebühreneinnahmen brauche es inhaltlich als auch etwa im Bereich Werbung „neue, schärfere Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, um die drohende mediale Bodenversiegelung zu verhindern.“
Klare Schranken
Deutlich gemacht hat der VfGH in seinem Erkenntnis, dass zur Unabhängigkeit des ORF auch eine „konstitutive staatlich garantierte Finanzierung“ gehört – wie, das ließ er offen. Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Privatsender, rechnet mit einer Art Haushaltsabgabe. Diese eröffne die Chance, die Abgabenhöhe pro Kopf zu senken und die Wettbewerbsstruktur im Land zu sanieren – auch durch den Ausbau der Förderung der Privatsender über die Abgabe. Drumm spricht sich gegen zusätzliche Erlöse für den ORF infolge des Erkenntnisses aus. Sie fordert „klare und engere Schranken bei der Definition seines Auftrags, mehr öffentlich-rechtliche Inhalte im ORF und vor allem deutlich weniger kommerziellen Wettbewerb.“
GIS-pflichtige Haushalte zahlen 18,59 Euro pro Monat an Programmentgelt. Einen großen Aufschlag durch Landesabgaben gibt es in sieben Bundesländern. Auch die haben ein gewichtiges Wort, nicht zuletzt durch den Bundesrat, bei der gesetzlichen Neuaufstellung der ORF-Finanzierung mitzureden.
Genau registriert wurde von Beobachtern zudem die Betonung der Unabhängigkeit des ORF im Erkenntnis. Das nährt Spekulationen, denn der VfGH muss in absehbarer Zeit auch darüber befinden, ob der Entsendungsmodus für den ORF-Stiftungsrat, wie er seit der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel besteht, verfassungskonform ist.