Kultur

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Dass er der teuerste lebende Künstler ist, ist Gerhard Richter immer ein bisschen unangenehm. Künstlerische Größe in Geldbeträgen zu messen, gehört einerseits zur Routine des Kunstbetriebs, hat aber immer etwas Banausenhaftes: Wo man sonst keine Maßstäbe für künstlerische Größe finden kann, muss eben ein Preisschild her.

Nun wird Richter aber gerade mit einer umfangreichen Ausstellung in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel/CH (bis 7. 9.) gewürdigt. Und in einer solchen Zusammenschau lässt sich sehr direkt erfahren, warum der 82-jährige Deutsche zu den größten Künstlern seiner Zeit zählt: Richter denkt groß, er hat ein enorm tiefes Verständnis für das Wesen von Bildern und für alle Fragen, die sich nach all den Debatten um ihre Abbildfunktion, ihre Abstraktion und ihren Objektcharakter noch stellen.

Bilder: Gerhard Richter - Meister aller Klassen

Alle Inhalte anzeigen

Das Stil-Chamäleon

Alle Inhalte anzeigen
Richter schafft es auch, theoretische Fragen mit einer Vielzahl an Stilen ästhetisch packend zu verhandeln. Geschätzte drei Viertel aller Kunstströmungen seit den 1960er-Jahren hat sich der Maler scheinbar spielend angeeignet.

Die Ausstellung in Riehen breitet diesen Stilpluralismus aus – und fokussiert doch nur auf einen Teilaspekt von Richters Werk. "Bilder/Serien" lautet der Titel der Schau, die verdeutlichen möchte, wie sich der Maler immer wieder an einzelnen Bildthemen, noch mehr aber an bestimmten Vorgehensweisen abarbeitete.

Richter übermalte Fotoserien und schuf seine berühmten abstrakten Bilder aus schichtweise aufgetragenen Farben, die er in noch nassem Zustand mit einem Stahlband abzog; einige Bilder ließ er am Computer systematisch zerteilen, um sie zu flirrenden "Streifenbildern" umzuformen.

Die Schau holt die Betrachter nah an diese Prozesse heran: Die Serie "Cage" (2006) etwa, eine Reihe von sechs monumentalen abstrakten Bildern, überwältigt mit der Spannung, die sich aus bewusst gesetzten Farbakzenten und der zufälligen Verfremdung durch das Abziehen der Farbe ergibt. Jedes Bild ist eine Einladung zu differenzieren, Details und Feinheiten auszumachen.

Irritierende Formate

Die sechsteilige Serie "Abstraktes Bild, Rhombus" (1998) – für eine Kirche entstanden – fordert den Blick dazu noch mit ihren Formaten heraus: Auf unterschiedlich lang gezogene Rauten gemalt, verändern die Bilder ihre Form, je nachdem, von wo aus man sie betrachtet.

Die Verunsicherung darüber, was ein Bild ist und was es zeigt, zieht sich generell durch Richters Werk.

Altmeisterlich abstrakt

Alle Inhalte anzeigen
Das Zusammenspiel gegenständlicher und abstrakter Bilder ist in der Schau allerdings problematisch: Durch Serien, die Motive in verschiedenen Stadien der Übermalung zeigen ("S. mit Kind", "Verkündigung nach Tizian") liegt oft der Schluss nahe, dass Richter sich relativ geradlinig vom Gegenstand zur Abstraktion bewegte. Was so nicht stimmt.

Richter untergräbt Bilder vielmehr von mehreren Seiten. Die gegenständlichen Werke sind am Ende nicht "klarer" als die abstrakten – der vom Selbstmord der RAF-Terroristen angeregte "Baader-Meinhof-Zyklus" (1988) in der Schau ist ein Beweis dafür. Richters ganzes Werk weckt Skepsis, aber auch Vertrauen gegenüber der Malerei. Und es lässt klarer sehen, wie wir sehen.

Der Künstler
Gerhard Richter, 1932 in Dresden geboren, floh 1961 aus der DDR. Er gilt als teuerster lebender Künstler, sein Bild „Domplatz, Mailand“ (1968) brachte 2013 28,57Mio. € ein.

Die Ausstellung
Gerhard Richter – Bilder/Serien“ ist bis 7.9. in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel/CH, zu sehen; der Katalog (Hatje Cantz Verlag) kostet 49,80 €.
www.fondationbeyeler.ch