Frequency Festival: "Ich wollte noch etwas sagen. Aber egal."
Von Georg Leyrer
Das Festival hat einen gewichtigen Vorteil gegenüber ähnlichen Veranstaltungen: Das sozial verträgliche Gelände in St. Pölten bietet nicht nur Plumps-, sondern auch Wasserspülungs-Klos für alle.
(Aber pssst, die VIPs genießen derweil einen Luxus-Popoföhn. Die Welt ist und bleibt unfair!)
Das Frequency kann sogar noch mehr! Bis Sonntag gibt es hier einen Safe Space für all jene, die auf altmodische Traditionen der Vorväter stehen, wie Musik, die nicht Schlager ist. Oder männliche Leiberlfreiheit.
Oder interpretatorische Herausforderungen, die sich nicht in der Frage erschöpfen, was die Helene denn so atemlos durch die Nacht singen lässt. Man hält hier, kurz gesagt, trotz sozialen Medien und smartphonegetriebenem Häppchenpopulismus einen gewissen musikalisch-ästhetischen Komplexitäts-Schmäh gut aus.
Der muss aber über mindestens zwei Ebenen hüpfen, sonst gilt es nicht. Das Resultat: Nicht die News, sondern der Pop ist hier fake. Und zwar so sehr, dass er wieder echter ist als das, was derzeit sonst so die Stadien füllt.
Am Auftakttag etwa der vollkünstliche Headliner, die Gorillaz von Damon Albarn: Es spielt eine Band, die aus Comicfiguren besteht.
Davor stand die kaum zu begreifende südafrikanische Hip-Hop-Disco-Gesamtparodie Die Antwoord am Programm: Die Miniatur-Frontfrau Yolandi piepst hier bösartige Plattitüden vor sich hin, wie eine Prinzessin Lillifee, die etwas ganz Schlechtes geraucht hat. Und Rapper Ninja schaut aus, als hätte er schon vor Jahren vergessen, wo sein Wohnungsschlüssel liegt. Das skurrile Ganze ergibt dann aber ein so massentaugliches Hohelied auf das Außenseitertum – man zeige sich als Freak, und man möge es! –, dass man jeden Einwand beiseite tanzt.
Zeitlupe ist an
Und so lustig ist Yung Hurn schon lange. Der böseste Rapbube, der derzeit in Österreichs Kinderzimmern zum Zornablass dient, ist so megahart, dass ihm nur ganz wenig Musik entweicht, und die nur im Zeitlupentempo. Über Selbige (geprägt vom grummelnden Bass) lässt er dann textmäßig ausführlich wissen, wie böse er ist. Außer, es entkommt ihm der Faden. „Ich wollte noch etwas sagen“, sagte er von der Bühne herunter. „Aber egal.“
Das Publikum spielt im Spiegelkabinett der Seinszustände brav mit, zeigt Mittelfinger, wenn Yung Hurn es will, trägt Spiderman-Kostüm oder Blümchenkleid (ja, als Mann). Auch heuer wieder haben junge Menschen für kaum 170 Euro einen metaphorischen Einschaltknopf gekauft: Bei Knopfdruck gibt es Ausgelassenheit. Und die Musik dazu muss nicht einmal auf blöd tun. Ist derart vergnügtes Ertragen von Spaßkomplexität heute schon politisch?
Hatte gar das Publikum im Mosh Pit bei Beartooth die Freude darüber, dass die AUVA-Reform Arbeitgeberbeitragsersparnisse ermöglicht, mit Rempelausdruckstanz umgesetzt? Man weiß es nicht genau.
Egal. Freudig ließ sich das Publikum von Käptn Peng als „sprechende Publikumstapete“ bezeichnen und bekam – friedlich, vergnügt, illuminiert – dann noch den Namen Freddie verliehen.
Und Freddie tanzte brav!