Kultur

Flieger und Schwanenritter

Als "Lohengrin vom Dienst" sieht er sich nicht. Und das, obwohl Klaus Florian Vogt Richard Wagners Schwanenritter bereits an der New Yorker MET, der Mailänder Scala oder bei den Bayreuther Festspielen gesungen hat. Aber, so der deutsche Heldentenor: "Ich fühle mich in diesem Fach sehr wohl."

Ab kommendem Samstag (12. 4.) ist Vogt erstmals an der Wiener Staatsoper als Lohengrin zu erleben; in einer Neuinszenierung von Andreas Homoki und mit Mikko Franck (siehe unten) am Pult. Dabei hätte eigentlich Bertrand de Billy dirigieren sollen, der sich aber im Streit aus der Produktion verabschiedete. Vogt: "Für mich hat sich durch den Dirigentenwechsel nichts geändert; ich habe mit De Billy auch vorher nichts zu tun gehabt. Mit Mikko Franck ist die Arbeit ein Vergnügen."

Offenheit

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Doch besteht bei so vielen Auftritten als Lohengrin nicht die Gefahr von Routine? "Nein, denn jeder Regisseur sieht die Figur anders. Ich entdecke jedes Mal neue Facetten und lasse mich auf die jeweilige Inszenierung ein." Berührungsängste kennt der gebürtige Holsteiner dabei kaum; auch in Hans Neuenfels’ heftig diskutierter Bayreuther "Ratten"-Produktion war Vogt im Einsatz. "Ich finde, das ist eine sehr kluge Inszenierung. Ich mag auch dieses Reizwort ,Regietheater‘ nicht sehr gern. Man kann den Zugang eines Regisseurs zu einem Werk mögen oder nicht. Aber pauschale Vorverurteilungen lehne ich ab."

Doch wie kam der international gefragte Künstler zum Gesang? "Ich habe zuerst Horn studiert und dann auch ein paar Jahre im Staatsorchester Hamburg gespielt. Diese Erfahrung hilft mir übrigens auch jetzt als Sänger, weil ich die Musiker viel besser verstehen kann. Aber als Sänger wurde ich tatsächlich auf einer Geburtstagsfeier entdeckt. Das ist kein PR-Gag. Andere haben mich auf meine Stimme aufmerksam gemacht. Ich ging dann zu einem Gesangslehrer, weil ich herausfinden wollte, ob da was Wahres dran ist. Ich habe ihm vorgesungen, er wollte mit mir arbeiten. Also habe ich parallel Horn gespielt und Gesang studiert. Dann kam eines Tages das Vorsingen bei einem Agenten, drei Tage später hatte ich meinen ersten Auftritt in Flensburg."

Respekt

Dort sang sich Vogt quer durch das Repertoire. "Daher kommt auch meine Liebe zur Operette und zum Musical. Ich habe größten Respekt vor Musical-Sängern. Was die Mädels und Burschen da leisten müssen, acht Mal pro Woche, ist gigantisch."

Fast logisch, dass Vogt auf seiner neuen CD "Favorites" Operetten- und Musical-Hits eingespielt hat. "Ich würde auch sehr gern auf der Bühne einmal Operette singen."

Im "schweren" Wagner-und Strauss-Fach streckt der Tenor seine Fühler langsam auch nach neuen Partien aus. "Natürlich schaue ich mir den ,Tannhäuser‘ an. Eines Tages wohl auch den ,Tristan‘ . Aber das hat Zeit. Im Moment bin ich mit meinem Repertoire sehr glücklich. Man sollte die Stimme nicht überfordern. Auch Wagner muss man nicht brüllen, sondern man kann ihn auch singen."

Wenn Vogt nicht gerade singt, verbringt er die Zeit mit seiner Familie oder frönt seinem Lieblingshobby, dem Fliegen. "Ich fliege selbst, und das sehr gern. Ich habe eine Mooney. Die ist nämlich ein bisschen schneller als eine klassische Cessna."

www.klaus-florian-vogt.de

Das Werk

Richard Wagners romantische Oper "Lohengrin" wurde 1850 in Weimar uraufgeführt. Dirigent war Franz Liszt. Inhaltlich geht es um den Gralsritter Lohengrin, der ausgesandt wird, um der fälschlich des Brudermordes angeklagten Elsa von Brabant beizustehen. Lohengrin erscheint, rettet Elsa, nimmt sie zur Braut. Sie dürfe aber nie nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen. Elsa bricht dieses Gebot; Lohengrin gibt ihr Auskunft, muss aber weiterziehen. Elsa stirbt.

Produktion

Regie: Andreas Homoki. Ausstattung: Wolfgang Gussmann. Dirigent: Mikko Franck. Es singen: Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Camilla Nylund (Elsa), Michaela Martens (Ortrud) Wolfgang Koch (Telramund), Günther Groissböck (Heinrich der Vogler), Detlef Roth (Heerrufer). Premiere: 12. April. Beginn: 17.30 Uhr. Reprisen in dieser Besetzung: 16., 20., 25., 28 April.

Mikko Franck, Wien und das Telefon – das ist eine Geschichte für sich. Groß war die Not, als Donald Runnicles 2013 das Dirigat der Uraufführung von Ian Bells "A Harlot’s Progress" im Theater an der Wien zurücklegen musste. Ein Telefonanruf, schon saß Mikko Franck im Flieger und rettete schließlich souverän die Premiere.

Vor knapp vier Wochen dann eine ähnliche Situation: Wiens Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst musste aus gesundheitlichen Gründen all seine Verpflichtung absagen. Ein Anruf aus der Staatsoper, Mikko Franck stieg wieder ins Flugzeug und führte am Ring eine Spielserie von Puccinis "La Bohème" zum Erfolg.

Und weil aller guten Dinge bekanntlich drei sind: Als Bertrand de Billy sich im Streit aus der Neuproduktion von Wagners "Lohengrin" verabschiedete, war wieder Mikko Franck da. Es wird seine erste Premiere an der Staatsoper sein.

Lieber planlos

"Vor zwei Wochen hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, jetzt hier zu sitzen und Wagner zu proben. Da sieht man wieder, dass man im Leben nichts planen sollte", lacht der ehemalige Chefdirigent und Direktor der Finnischen Nationaloper Helsinki. Was an "Lohengrin" so schwierig ist? "Wagner erfordert aufgrund der Länge eine ziemliche Konstitution. Und für das Publikum sollten die Opern Wagners so klingen, dass man die Stunden nicht merkt, sondern nur genießt. "

Im Alter von fünf Jahren war für Franck klar, dass er Geiger und Dirigent werden möchte. "Ich habe meine Eltern um eine Geige förmlich angebettelt. Andere Kinder wollten Polizist oder Astronaut werden, ich wollte geigen und dirigieren." Lachender Nachsatz: "Na, immerhin 50 Prozent meiner Ziele habe ich verwirklicht. Das ist nicht so schlecht für einen damals erst Fünfjährigen", so der designierte Chefdirigent (ab 2015) des Orchestre Philharmonique de Radio France.

Wie aber bereitet sich Franck auf die jeweiligen Stücke vor? "Ganz einfach: Ich habe neben der Musik nur ein einziges echtes Hobby, nämlich schlafen. Das hilft mir sehr. Das war auch jetzt bei den ,Lohengrin‘-Proben und den ,Bohème‘-Vorstellungen so. Ich habe mich nach der Probe hingelegt, bin als Wagner-Dirigent eingeschlafen und abends als Puccini-Dirigent aufgewacht."

Was Franck an der Staatsoper besonders schätzt? "Das Orchester ist natürlich ein Geschenk für jeden Dirigenten. Ich bin dankbar, hier sein zu dürfen." Lachend: "Sollte in Zukunft Bedarf bestehen – ich bin auch gern bereit, einzuspringen."