Kultur

Filmkritik zu "Kajillionaire": Die schlechtesten Eltern der Welt

Eigentlich sind sie mehr eine Bande als eine Familie. Vater, Mutter und ihre erwachsene Tochter: Ein Trio an Trickbetrügern, das sich seinen Lebensunterhalt in Los Angeles mit kleinkriminellen Taten ergaunert. Wenn Frau und Tochter mit ihren superlangen Haaren und dem Vater im Schlepptau ums Eck biegen, glaubt man kurz, Mitglieder der Manson-Family vor sich zu haben. Doch von Morden sind die drei Trauerweiden weit entfernt.

Sie spielen unter falschen Namen bei Preisausschreiben mit oder klauen auf dem Postamt Päckchen, in denen sich leider nur ein Plüscheinhorn befindet. Zudem wohnen sie in einem abgewrackten Bürogebäude, direkt unter einer Seifenfabrik:

Pünktlich alle paar Stunden blubbert an den Wänden literweise rosa Schaum herunter, der mühselig wieder weggewischt werden muss.

„Kajillionaire“ (auf Amazon Prime Video zu leihen oder zu kaufen) bedeutet so viel wie „steinreich“. Davon kann die ranzige Kleinfamilie allerdings nur träumen.

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„Kajillionaire“ ist der dritte Spielfilm von Miranda July, einer außergewöhnlichen Erscheinung im Bereich des amerikanischen Independent Kinos. July ist von Beruf Multitalent und zählt in den USA zu den renommiertesten Künstlerinnen ihrer Generation. Geboren 1974, wuchs sie in Berkeley/ Kalifornien auf, ist Performance-Künstlerin, Verfasserin von Zeitgeist-fühligen Kurzgeschichten und Romanen, Schauspielerin und Filmregisseurin. Mit ihrem Debüt „Ich und Du und Alle, die wir kennen“ eröffnete sie 2005 die Festspiele von Cannes und landete einen Hipster-Hit. Sechs Jahre vergingen, ehe sie mit ihrem nächsten Film „The Future“ herausrückte. Doch auch das ist schon wieder neun Jahre her.

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Schräg und schrullig

In „Kajillionaire“ beweist sich July einmal mehr als Expertin für schräge Beziehungskonstellationen und schrullige Handlungsverläufe, deren (queere) Twists sich nicht vorhersagen lassen. Gerade, wenn man beispielsweise meint, bei den beiden Alten handle es sich um harmlose Konsumverweigerer im Hippie-Look, entblößt sich eine fiese Eltern-Kind-Dynamik.

Debra Winger als hartherzige Mutter, die sich weigert, ihrer Tochter das Kosewort „Honey“ zu vergönnen, entpuppt sich als würdige Gefährtin ihres schäbigen Ehemannes, dem großartig mieselsüchtigen Richard Jenkins. Als sich eine junge Frau namens Melanie – strahlend: Gina Rodriguez aus „Jane, the Virgin“ – der Familie anschließt, wird es so richtig arg.

Evan Rachel Wood als niedergepresste Tochter wandert in übergroßen Sweatshirts durch Los Angeles und sieht einem alten Mann beim Sterben zu, während ihr Vater das Scheckbuch fladert. Doch Depression ist nicht das Stilmittel von Miranda July, auch nicht nur Schrulligkeit. Dahinter verbirgt sich eine zarte Sehnsucht – nach Berührung, Nähe und echten Emotionen.

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