Kultur

Fidelio ist eine "Todesfalle für jeden Regisseur"

Vor 200 Jahren wurde die dritte und letzte Fassung von Ludwig van Beethovens einziger Oper am Wiener Kärntnertortheater uraufgeführt; mehr als 70 Jahre war "Fidelio" nicht mehr an der Volksoper zu sehen. Das ändert sich am Sonntag. Dann nämlich zeigt Regisseur Markus Bothe seine Interpretation von Beethovens Klassiker rund um unbeirrbare Gattenliebe und Freiheitskampf.

Frage der Fassung

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"Dieses Werk ist eine Todesfalle für jeden Regisseur", sagt Bothe im KURIER-Gespräch. "Die Probleme beginnen bereits bei der Fassung. Welche Version soll man nehmen? Oder soll man aus den drei Möglichkeiten eine Mischfassung machen? Allein das ist schon eine sehr schwere Entscheidung. Mit Dirigentin Julia Jones haben wir uns allerdings für Beethovens letzte Version mit allen gesprochenen Dialogen entschieden. Ich finde das konsequent, weil hier das Stück in sich abgeschlossen ist. Beethovens Änderungen sind Verbesserungen. Obwohl man auf schöne Stellen verzichten muss. Sogar auf die ,Leonoren-Ouvertüre‘."

Besteht bei "Fidelio" aber nicht die Gefahr, szenisch in Klischees oder gar Pathos zu verfallen? "Wir versuchen jedenfalls, das zu vermeiden. Uns interessiert: Was bedeutet es für eine Frau wie Leonore, ihre Existenz, ihre eigenen Identität, ja sogar ihr Geschlecht aufzugeben?

Frage des Happy Ends

Bothe weiter: "Außerdem steckt in ,Fidelio‘ auch der Gedanke der Revolution. Doch jede Revolution fordert ihre Opfer. Wenn am Ende der Minister erscheint, und die Gefangenen freikommen, ist dann wirklich alles gut? Was geschieht mit Pizarro? Gibt es ein gegenseitiges Verzeihen? Ein Happy End? Ich zweifle daran."

An der Volksoper ist der gebürtige Deutsche bereits zum zweiten Mal zu Gast. 2005 inszenierte er am Gürtel die viel beachtete österreichische Erstaufführung von Nicholas Maws Oper "Sophie’s Choice", in der eine Szene auch im Konzentrationslager Auschwitz spielt. Bothe: "Ich musste auch bei der Konzeption zu ,Fidelio‘ oft an dieses Sujet denken. In beiden Werken geht es um das Gefangen-Sein und was dieser Zustand aus Menschen macht."

Von seinen Protagonisten – es singen u. a.: Marcy Stonikas, Roy Cornelius Smith, Stefan Cerny, Rebecca Nelsen, Thomas Paul, Günter Haumer und Sebastian Holecek – ist der Regisseur übrigens sehr angetan. Lachend: "Und ja, ich hoffe, ich darf auch nach der ,Fidelio‘-Premiere noch die Wiener Stadtgrenze passieren. Denn ich arbeite gern in Wien, und finde das kulturelle Angebot in dieser Stadt unglaublich", so Bothe, der für seine Inszenierung von "Roter Ritter Parzival" 2010 mit dem renommierten deutschen Theaterpreis "Faust" ausgezeichnet wurde.

Bothe, der Hamburg Musiktheater-Regie studierte, ist in der Oper, im Theater und im Kindertheater gleichermaßen daheim. Und er will all diesen Genres treu bleiben. "Ich liebe die Abwechslung und brauche dieses Genre-Denken nicht. Daher kommt nach dem Wiener ,Fidelio‘ eine Inszenierung der ,Artus-Sage‘ in Deutschland. Und irgendwann folgt sicher wieder eine so genannte ,Todesfalle‘." www.volksoper.at