Kultur

"Effi Briest" macht Lust aufs Lesen

Erst Kind, dann Mutter, viel zu spät Frau, letztlich nur ein gescheitertes Wesen – das ist der Weg, den Theodor Fontanes " Effi Briest" im gleichnamigen Roman zu gehen hat. Ein Frauenschicksal, das in vielen, (guten) Deutsch-Unterrichtsstunden Generationen von Schülern beschäftigt und dabei nicht immer glücklich gemacht hat.

Sehr glücklich aber macht die Art und Weise, wie die Festspiele Reichenau diese scheinbar aus der Zeit gefallene, dabei sehr heutige Tragödie auf die Bühne bringen.

Vom Baum zum Baron

Das liegt auch an der Bühnenfassung von Nicolaus Hagg, der alle Figuren auf ihre Seelennöte reduziert, der unnötiges Personal und vor allem jedes Bismarcksche Brimborium weglässt. Was man in Reichenau sieht, ist das Schicksal eines jungen Mädchens, das (eben noch auf den Bäumen kletternd) von der eigenen Mutter an deren einstigen Verehrer (und Liebhaber?) Baron Geert von Innstetten verheiratet wird. Damit beginnt Effis Untergang.

Sie fristet ihr Dasein in einem kalten Haus (erfundene Gespenster inklusive) in der Provinz. Sie beginnt eine kurze Affäre mit einem gewissen Crampas, wird von ihrem Mann zu spät auch als sexuelles Wesen entdeckt. Und sie wird nach Auffliegen der Affäre – samt für Crampas letalem Duell – auch von Innstetten verstoßen. Es folgt Effis Selbstmord, es bleibt das Unglück aller Überlebenden.

Eindrücke aus "Effi Briest"

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Mutter und Tochter

Das klingt spröde? Ist es aber nicht. Denn Regie-Debütantin Regina Fritsch (zum Niederknien gut als Effis Mutter!) schafft in Peter Loidolts großartigem Bühnenbild die Quadratur des Kreises. Diese "Effi" ist zeitlos, heutig, zieht in den Bann, hat Kraft und berührt. Ganz klassisch inszeniert, mit guter Musik (Bernhard Moshammer), passenden Kostümen (Caterina Czepek), sehr feiner Licht-Regie (John Lloyd Davies) und fabelhaften Darstellern. Überragend: Alina Fritsch (ja, die Tochter von Regina Fritsch) als Effi und Michael Dangl als verknöcherter Innstetten.

Wie Alina Fritsch die diversen emotionalen Wandlungen Effis ganz natürlich nachvollzieht, wie sie zwischen Kind und Frau perfekt changiert, ist großartig. Ein Versprechen für die Zukunft.

Längst eine Fixgröße ist Michael Dangl, der "seinem" Innstetten sogar positive Züge verleiht, der letztlich ein Opfer seiner eigenen Weltanschauung wird. Eine Liebe, die hätte sein können, aber doch nicht sein kann – sie wird dank Alina Fritsch und Michael Dangl zum Ereignis.

Wunderbar und klug gezeichnet auch die übrigen Personen: Denn neben Regina Fritsch als Effis Mutter brilliert Martin Schwab als deren Vater. Dieser weiß, dass die Seele zumindest ein "weites Feld" ist und dass auch (Selbst-)Vergebung zählt.

Dazu kommen Sascha Oskar Weis als forscher Crampas, Rainer Friedrichsen als des Barons fast untoter Diener, Emese Fay als Effis starke Stütze, Hans-Dieter Knebel als liebenswürdiger Apotheker und Hannes Gastinger als Apotheose eines preußischen Beamten – fertig ist das Theaterglück. Und Fontane? Irgendwie liest man ihn danach wieder sehr gern.

KURIER-Wertung:

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