Kultur

Elyas M'Barek: „Ich wollte einmal keine Komödie machen“

Elyas M’Barek ist einer der wenigen deutschen Superstars am Schauspielhimmel. Was er anfasst, verwandelt sich an den Kinokassen zu Gold. Vor allem, seit er als Zeki Müller in „Fack ju Göhte“ eine Klasse unterrichtete, hat sich seine Fangemeinde ins Unermessliche gesteigert. Nun wollen alle bei ihm die Schulbank drücken.

Elyas M’Barek, geborener Münchner und Sohn einer Österreicherin und eines Tunesiers, ist in erster Linie auf Komödien abonniert. Bereits in der Serie „Türkisch für Anfänger“ herrschte der leichte Tonfall, in „Doctor’s Diary“ gab er sogar einen Arzt mit lustigem Wiener Akzent. Die „Göhte“-Trilogie, in der M’Barek renitente Schüler mit derbem Spruch im Zaum hält, katapultierte den heute 36-Jährigen endgültig in den Star-Himmel.

In seinem neuesten Film „Der Fall Collini (derzeit im Kino) – nach einer Vorlage von Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach – ist Schluss mit lustig. M’Barek spielt eine ungewohnte, sehr ernsthafte Rolle: Als Junganwalt soll er Fabrizio Collini (Franco Nero) verteidigen, der einen deutschen Großindustriellen erschossen hat und keine Motive angeben will. Erst nach und nach entdeckt der Jurist ein skandalöses Gesetz in der deutschen Justiz-Geschichte.

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KURIER: Herr M’Barek, Sie spielen einen jungen Anwalt, der seinen ersten Fall übernimmt. Ist das eine Rolle, die Sie aktiv gesucht haben, auch, weil es für Sie und Ihre Karriere vielleicht eine Form von Veränderung darstellt?

Elyas M’Barek: Ich bin immer auf der Suche nach spannenden Rollen, vor allem, wenn sie vielfältig sind. Am besten ist es, wenn sich eine Rolle von der vorherigen unterscheidet. Ich hatte einfach wieder Lust auf eine andere Art von Film und wollte einmal keine Komödie, sondern einen spannenden Thriller drehen. Insofern hat sich dieses Angebot gut gefügt.

Sie gelten als jemand, der sich sehr genau vorbereitet und auch in die Arbeitswelten seiner Figuren versenkt. Stimmt das?

Ach, ich glaube, da wird auch ganz schön viel dazu gedichtet und größer gemacht, als es ist. Ich gehe ganz normal meiner Arbeit nach. Aber ich hab’ für diesen Film jetzt nicht Jura studiert. Ich habe mir unter anderem einen Gerichtsprozess angeguckt und mich mit einem Strafverteidiger getroffen. Ich habe auch mit Ferdinand von Schirach über sein Buch gesprochen. Natürlich war es interessant, einen Gerichtsprozess zu beobachten und zu sehen, wie Anwälte agieren.

War es inspirierend, die Juristen in Aktion zu sehen?

Ja. Ferdinand von Schirach hat dazu letztens in einem Interview gesagt, dass ich in dem Film „unterspiele“ – was er aber positiv meinte. Er fand, ich spiele die Rolle nicht so, wie man sich einen Anwalt vorstellen würde, sondern so, wie Caspar Leinen wirklich wäre: Keine Klischeevorstellung von einem Anwalt, der in seiner Robe dasteht und große Reden schwingt. Stattdessen sei mein Spiel sehr authentisch. Das war eigentlich das größte Kompliment.

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Am Anfang bringen Sie mit Ihrer Rolle etwas Komödie in die Geschichte, weil Sie als Anwalt unerfahren sind und von den Kollegen belächelt werden. Dann jedoch wachsen Sie mit Ihrer Aufgabe. Lag Ihnen Ihre Figur persönlich nahe?

Für mich ist wichtig, dass ich mich in der Figur selber mag – zumindest in diesem Fall war mir das wichtig. Ich wollte, dass man Caspar Leinen als Person versteht, sympathisch findet und mit ihm mitgeht. Und dass man Lust darauf hat, zuzusehen, wie dieser Typ, der vermeintlich der Schwächere ist und an den keiner glaubt, es am Schluss schafft, alle anderen und auch den Fall für sich zu gewinnen.

Die Rolle wurde sehr auf Sie zugeschnitten und Ihre Figur muss sich Sätze sagen lassen wie: „Sie sehen aus wie ein Türke, nicht wie ein Anwalt.“ War es Ihnen wichtig, dass auch solche Realitäten in die Geschichte einfließen und zum Thema gemacht werden?

Ich fand es besser so. Sonst hätte man sich, wenn man den Originalroman kennt, vielleicht gefragt, warum gerade ich diese Figur spiele.

Inwiefern?

Im Originalroman stammt Caspar Leinen aus einem altdeutschen, aristokratischen Elternhaus. Ich fand die Idee also super, dass wir die Figur so, wie sie jetzt ist, angelegt haben. Caspar ist jemand, der sich alles erkämpfen und erarbeiten musste und dadurch viel ehrgeiziger ist. Ich finde die Figur so viel stärker, als sie es im Originalroman war.

Haben Sie Einfluss auf das Drehbuch nehmen oder eigene Vorstellungen einbringen können?

Nein, aber es ist natürlich schon so, dass, wenn ich Anmerkungen oder Ideen habe, das durchaus ernst genommen wird. Insofern konnte ich mich in ganz normal üblicher Form einbringen. Wir haben uns im Vorfeld diverse Male getroffen, und wenn ich Fragen hatte, wurde darüber gesprochen und teilweise auch Änderungen vorgenommen – ganz im positiven Sinne.

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Der „Fall Collini“ verhandelt einen deutschen Justizskandal, insofern, als im Jahr 1968 die Einführung des sogenannten Dreher-Gesetzes Kriegsverbrecher von ihrer Schuld befreite. Nun bringen Sie in der Titelrolle auch ein anderes, jüngeres Publikum ins Kino als den klassischen Bildungsbürger. War es Ihnen wichtig, eine junge Generation noch einmal mit einer Nazi-Vergangenheit zu konfrontieren?

Ja, das finde ich sehr spannend. Mir selbst hatte das Dreher-Gesetz bis dahin nichts gesagt. Wenn man den Film sieht, wird es einen erschüttern, dass so etwas wirklich möglich war – denn das ist ja keine Erfindung, sondern Realität. Und klar würde ich mich freuen, wenn sich auch junge Leute für die Thematik begeistern, wobei der Film ja in erster Linie ein sehr spannender und berührender Thriller ist. Es gibt also keinen Grund, ihn sich nicht anzugucken, selbst wenn man nicht zur älteren Generation gehört.

Ist Ihnen diese politische Thematik auch in Hinblick auf den überall erstarkenden Rechtspopulismus ein besonderes Anliegen?

Ja, das ist mir natürlich ein Anliegen. Man wird noch einmal daran erinnert, was in der Geschichte passiert ist, was es für furchtbare und ungerechte Zeiten gab und was sich nicht wiederholen darf.

Die österreichische Schauspielerin Margarete Tiesel spielt eine kleine Rolle und gilt als eine Paradeschauspielerin von Ulrich Seidl. Sind Sie mit dem österreichischen Kino vertraut?

Ja, also Haneke mag ich schon gerne. Vor allem aber bin ich ein großer Fan von Josef Hader. Ich mag diesen schwarzen Humor.

Apropos: Ihr nächster Film „Das perfekte Geheimnis“ ist wieder eine Komödie. Ist das ein Lieblingsgenre von Ihnen?

Ja, eigentlich schon, vor allem, was die Herstellungsweise betrifft. Es stellt sich auch die Frage, wie weit man sich selbst belasten möchte. Ich könnte nicht immer nur ernste Thriller oder Dramen wie „Der Fall Collini“ spielen. Auf Dauer brauche ich die Abwechslung.

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