Kultur

Kampf gegen die nostalgische Kitsch-Falle

Wie zähme ich dieses wundervolle Monster?" Das war die erste Frage, die sich Philipp Hauß gestellt hat. Das "Monster" ist Joseph Roths mehrfach verfilmter Roman "Radetzkymarsch", ein Abgesang auf die Österreichisch-Ungarische Monarchie. Ab kommendem Freitag (3. Oktober) gibt es die Antwort, dann feiert Hauß’ Bühnenfassung des Untergangs der Familie von Trotta in St. Pölten ihre Premiere.

Zwei Seiten

Doch der Burgschaupieler und Regisseur hat sich die Latte noch höher gelegt. Nicht nur Motive aus dem "Radetzkymarsch" werden im Landestheater herausgearbeitet. Hauß hat – "als Blick auf die andere Seite der Medaille" – auch noch Roths Roman "Die Rebellion" miteinfließen lassen.

Darin geht es um den Kriegsheimkehrer Andreas Pum, der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in der jungen, fragilen Demokratie keinen Platz mehr findet. Hauß: "Ich wollte damit auch dieses Thema ,Erster Weltkrieg‘ schärfer darstellen. Denn der ,Radetzkymarsch‘ ist fast so etwas wie ein österreichisches Nationalepos. Viele glauben bis heute, Roth habe da der guten, alten Zeit ein Denkmal setzen wollen. Dieser Kitsch-Falle muss man entgehen. Immerhin erschien ,Radetzkymarsch‘ 1932, und Roth war sicher kein Nostalgiker. Diesem Aberglauben will ich entgegentreten. Auch szenisch."

Für Hauß ist "Radetzkymarsch" nach der für den Nestroy nominierten "Mamma Medea" die zweite Regie-Arbeit im Landestheater Niederösterreich. Hat der gebürtige Deutsche nie daran gedacht, auch selbst mitzuspielen? Lachend: "Grundsätzlich würde der Regisseur Philipp Hauß den Schauspieler Philipp Hauß schon engagieren. Doch der Roth-Bearbeiter Hauß hat gemeint, das wäre zu viel des Guten."

Zeitenwende

An der Burg ist Hauß in Ibsens "Frau vom Meer" und Tschechows "Platonov" zu sehen; aber es kommen auch wieder neue Produktionen. Und wie sieht das Ensemblemitglied die Burg-Krise? "Mit dem Tod von Gert Voss und all den finanziellen Diskussionen hat eine Art Zeitenwende eingesetzt. Plötzlich wird die Relevanz des Theaters an sich hinterfragt. Das ist in Deutschland leider längst Alltag. Das Hinterfragen mag zwar gefährlich sein, kann aber auch eine Chance darstellen. Wenn wir gute Antworten geben. Wichtig wäre, dass man an der Burg wieder über das Künstlerische, nicht über Skandale spricht."