Kultur

Die Erdberger Italianità

Der Charme des Grätzels erschließt sich nicht sofort. Hier, unweit des ehemaligen Schlachthofes St. Marx, ist die Gentrifizierung noch weit weg. Wettcafé, Pizzeria und Würstelstand scheinen die kulinarischen und kulturellen Highlights dieser unscheinbaren Gegend zu sein. Doch ein zweiter Blick auf die Markhofgasse, dieses Mauerblümchen einer Gasse, lohnt sich.

Denn hier, im Innenhof eines unauffälligen Jahrhundertwende-Hauses, befindet sich mit der Galerie "Markhof 2" einer der überraschendsten Ausstellungsorte Wiens: Da macht das bodenständige Erdberg auf hippes Neubau, macht ein mausgraues Wohngrätzel auf buntes Künstlerviertel – und das ist ziemlich charmant.

Schon im Hauseingang hört man sie Italienisch reden und scherzen. Max Piva, Michele Bubacco und Mattia Casagrande, drei junge Maler aus Venedig, arbeiten hier an ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung, und sie haben bis zur letzten Minute alle Hände voll zu tun. Die Schau "Bacan" eröffnet am Donnerstag und zeigt einen Überblick über das ungewöhnliche, formal wie inhaltlich höchst unterschiedliche Werk der drei Künstler, die einander seit ihrer Schulzeit am Liceo Artistico in Venedig kennen.

Alle Inhalte anzeigen
Der älteste der drei, Mattia Casagrande, 34, malt nebelige Ansichten seiner Heimat: Melancholische, fast gespenstische Bilder der Lagune, wo der Horizont zwischen Himmel und Meer verschwimmt. Casagrandes Ölgemälde sind nun zum ersten Mal in Wien ausgestellt.
Alle Inhalte anzeigen
Der 1983 in Venedig geborene Künstler Michele Bubacco lernte zunächst das Metier seines Vaters, des Glaskünstlers Lucio Bubacco, bevor er sich der Malerei widmete. In seinen Bildern taumeln verschwommene Gestalten durch düstere Räume. Unheimlich und versehrt wirken sie. Faszinierend ist auch Bubaccos Technik: Er bearbeitet die Ölfarbe mit einem Schwamm, was bestimmte Details verstärkt und von anderen nur mehr Andeutungen zurücklässt. Seine Bilder waren bereits im Rahmenprogramm der Biennale in Venedig sowie bei Soloausstellungen in Wien und Tel Aviv zu sehen.
Alle Inhalte anzeigen

Die Technik Max Pivas ist schwer zu fassen, denn sie ändert sich mit jeder Werkserie: Das sei das Wesen seiner Arbeit, sagt der 30-Jährige, der zuletzt in der Galerie Ulysses die Bilderserie "Schwerkraft" ausgestellt hat. "Jede Arbeit muss die vorige infrage stellen. Ich lehne die Routine ab und verwende immer Techniken, die ich mir neu erarbeiten muss. Ich bringe mich gerne in Schwierigkeiten", sagt Piva. Für die "Schwerkraft"-Bilder, die nun auch hier zu sehen sind, hat er Fotos bearbeitet – eigentlich: zerstört und daraus Neues geschaffen. Ein wuchtiges, faszinierendes organisches Farbenspiel, das wie eine moderne Interpretation eines Renaissance-Gemäldes wirkt.

Kernstück der Schau ist ein raumfüllendes Triptychon, das die drei gemeinsam bearbeitet haben. Jeder malte seins, kommentiert von den anderen. Über allen Arbeiten schwebt "Bacan", der Titel der Schau. Bacan, das ist eine Insel vor Venedig, die man nur bei Ebbe sieht. Eine Erinnerung aus den Kindheitstagen der Künstler.

Alle Inhalte anzeigen
Schon in der Schule beschlossen die drei, Venedig zu verlassen um neue künstlerische Inspiration zu suchen. Die Vorhut machten vor einigen Jahren Mattia und Max, die nach Wien kamen, um an der Angewandten zu studieren. Nun lebt auch Michele hier. Wien, finden sie, ist ein guter Ort für junge Künstler. Newcomer werden von der etablierten Kunstszene angenommen. Hier trifft man sich im Kaffeehaus und tauscht sich aus. Alt und Jung, vorbehaltlos. Der Dialog zwischen den Künstlergenerationen: In Wien ist er möglich.