Vigdis Hjorth: Wem die Wahrheit gehört
Von Barbara Beer
Ein ziemlich hartes Buch war das: In ihrem ersten auf Deutsch veröffentlichten Roman „Die Wahrheiten meiner Mutter“ erzählte die Norwegerin Vigdis Hjorth davon, wie es ist, wenn einen die eigene Mutter vergessen will. Nun ist ein früherer Roman dieser außergewöhnlichen Schriftstellerin, die 2023 für den Booker Prize nominiert war, zu entdecken: Auch in „Ein falsches Wort“ geht es um die Abgründe der Gesellschaftsform Familie.
Der Vater stirbt, ein Streit ums Erbe bricht aus. Doch nicht um Geld geht es hier, sondern um den Besitz von Wahrheit. Dass jeder seine Version davon hat, entzweit mehr als alles andere. „Die Straße der Kindheit ist die Wurzel meines Seins“, zitiert Hjorth die Dänin Tove Ditlevsen. Wer daran rührt, überschreitet die Grenze der Möglichkeiten des Vergebens.