"Art Review"-Ranking sieht die Macht in der Kunstwelt im Nahen Osten
Von Michael Huber
Die Zeit, in der die berüchtigten "Alten Weißen Männer" neben vielen anderen Lebensbereichen auch die Welt der Kunst beherrschten, ist endgültig vorbei - zumindest, wenn es nach dem "Power 100 Ranking" der britischen Kunstzeitschrift "Art Review" geht. Dessen Ansage, alljährlich die einflussreichsten Menschen der Kunstwelt zu küren, zeigt schon seit einigen Jahren eine Abkehr vom westlichen Betrieb - und eine Tendenz, politischen und postkolonialen Diskursen der Kunstwelt eine Bühne zu geben.
Soft Power
Im neuesten Ranking, das am Donnerstag veröffentlicht wurde, kommt nun Sheikha Hoor Al Qasimi die Rolle der "mächtigsten Person der Kunstwelt" zu. Die Tochter des Herrschers des Emirats Sharjah, neben Dubai und Abu Dhabi Teil der Vereinigten Arabischen Emirate, ist Begründerin der "Sharjah Art Foundation", die neben der "Sharjah Biennale" auch diverse andere Projekte in der Kunstwelt initiiert und fördert. Darüber hinaus sei Al Qasimi "ein Symbol des zunehmenden Einflusses der Golfregion in den Sphären der Finanz, des Handels, der Politik, des Sports und der Unterhaltung", heißt es in der Jurybegründung.
Die "Power 100" werden von einer Kommission von Kunst-Insidern aus aller Welt gestaltet, die laut "Art Review "mehr als 40 Personen" umfasst. Genannt werden diese nicht.
Die Top Ten der "Power 100" werden ansonsten von Künstlerinnen und Theoretikern dominiert - auf Platz zwei ist der thailändische Künstler Rirkrit Tiravanija, auf Platz drei die Theoretikerin Saidiya Hartman, die sich mit den andauernden Folgen der Sklaverei in der Gesellschaft auseinandersetzt.
Die im Vorjahr auf Platz 1 gereihte Künstlerin und Aktivistin Nan Goldin landete heuer auf Platz 7 und ist damit die höchstbewertete Weiße im Ranking. Sie hatte zuletzt mit ihren Aussagen zum Gaza-Konflikt in Berlin für einen Eklat gesorgt. Auf Platz 5 rangiert übrigens das Kollektiv "Forensic Architecture", das für investigative Recherchen mit politischer Stoßrichtung bekannt ist: Das laufende Projekt beschäftigt sich mit Gaza und nennt sich "Kartographie des Genozids".
Mit der Reihung von Denker Achille Mbembe (Platz 12) und Bonaventure Soh Bejeng Ndikung (Platz 20) gingen Top-Platzierungen an Menschen, die Israels Politik in der Vergangenheit als "Apartheid" bezeichnet und damit zumindest in Deutschland für Kontroversen gesorgt hatten.
Die Menschenrechtssituation in der arabischen Welt scheint die "Art Review" Jury dagegen weniger zu bekümmern. Neben den Lorbeeren füür Al-Qasimi belegt die für die Kunstaktivitäten des Golfstaats Katar zuständige Sheikha Al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al-Thani Platz 21 des Rankings, der Kulturminister von Saudi-Arabien, Badr bin Abdullah Al Saud, belegt Platz 41.
Machtwechsel
Die einst Mächtigen der westlichen Kunstwelt rangieren bei "Art Review" auf den hinteren Plätzen, die Mega-Galeristen Iwan Wirth (Platz 28) und Larry Gagosian (Platz 35) liegen dabei noch vor Super-Kurator Hans Ulrich Obrist (Platz 59) und MoMA-Direktor Glenn Lowry (Platz 64). Österreicher finden sich nirgends, das zuletzt abgelöste Kuratorinnen-Trio der Kunsthalle Wien, "What, How & for Whom" belegt aber Platz 89 - wohl, weil es demnächst die viel beachteten "Skulptur Projekte Münster" kuratiert.