Kolumnen

Wetter gut, Essen reichlich

Daria sendet Urlaubsgrüße von der Insel: Wetter gut, Menschen freundlich, Essen reichlich – vor allem dann, wenn man sich selbst bedient, wo man gar nicht gebeten wurde zuzugreifen. So weit die Kurzfassung.

Das Wetter ist tatsächlich gut – gut genug, um einen Jahresvorrat an Licht, Wärme und Vitamin D anzulegen. Die inneren Solarzellen arbeiten auf Hochtouren.

Die Menschen sind freundlich (zumindest die meisten) – freundlich genug, um einen Jahresvorrat an Sonne im Herzen anzulegen. Schon auf der Schiffsreise zur Insel haben wir nette junge Menschen kennengelernt. Besser gesagt: Daria hat sie kennengelernt. Sie lag unter der Bank, auf der ich saß, und war plötzlich weg, trotz Leine. Die zwei Mädchen und zwei Burschen, mit denen wir Rücken an Rücken saßen, hatten sie unter der Bank durchgelockt und streichelten sie jetzt achthändig.

Als wir Daria zurückriefen, stellte sie sich bewegungsunfähig und schwerhörig, die Inhaber der acht Hände sandten flehende Blicke, und Daria blieb drüben.

Schatten auf dem Paradies

Das Essen ist reichlich – reichlich genug, um Daria außer Form zu bringen und eine Walze aus ihr zu machen. Am dritten Tag sah sie besorgniserregend aus – wie eine Python, die eine Antilope verschluckt hat. Es dürfte sich aber eher um Reste des Grillguts der Nachbarn gehandelt haben. Und um die Abfälle, die die Fischer nach dem Putzen ihres Fangs für die Möwen liegen lassen. Und um das Katzenfutter, das selbst den kulinarisch wenig anspruchsvollen Inselkatzen nicht schmeckt. Daria greift da gerne zu.

Alles gut wie immer, in Darias neuntem Jahr als Teilzeitinselhund. Und doch auch nicht. Das Wetter ist nicht nur gut, die seelische Gesamtwetterlage heuer eher trüb. Ein Inselbewohner legt Giftköder für Katzen aus. Wer tut so etwas? Keiner weiß es. Bis auf den Müllmann, der den Täter beobachtet hat. Aber er verrät ihn nicht. Die Menschen sind nicht nur freundlich. Und wenn das Essensangebot auffallend reichlich ist, sollte man darauf achten, was man zu sich nimmt.

Daria ist jetzt auch im Garten an der Leine. Sie nimmt’s gelassen, denn sie wird gestreichelt, und wir wandern viel mit ihr. Die Katzen aber sind der Natur ausgeliefert – der Natur eines kranken Menschen. Da schmeckt das Paradies etwas bitter.