Kolumnen

Die Hysterie um das Virus: Wir verreisen trotz Corona

Derzeit ist noch nicht sicher zu sagen, ob das Coronavirus medizinisch oder massenpsychologisch problematischer ist. Die medizinische Gefahr scheint überschaubar, die Reaktion darauf scheint aus dem Ruder zu laufen.

Es ist schon verständlich, warum Menschen auf etwas irrational reagieren, das neu, unsichtbar und mit unbekannten Kräften ausgestattet ist – wie so ein Drache in einem Fantasyroman. Aber gerade surreale Monster muss man immer wieder relativieren. Wenn etwa vor drei Tagen bei unserer KURIER-Telefonsprechstunde mit Konsumenten- schutz-Juristin Barbara Forster eine Leserin fragt, ob sie denn trotz Corona in einem Monat von Wien nach Südafrika fliegen solle, kann man nur sagen: Südafrika ist verdammt weit von der Lombardei weg. Oder von China.

Gefährlicher als Grippe? Nein.

Ebenso relativieren muss man die medizinische Gefahr, quasi: Wie kräftig ist der Drache wirklich? Scheinbar ja nicht gefährlicher als die Influenza, wahrscheinlich sogar weniger gefährlich. Hand aufs Herz: Haben Sie sich vor einer Reise schon einmal Gedanken darüber gemacht, ob am Zielort gerade eine Grippewelle herrscht?

Einige haben aber nur Angst vor einer möglichen Quarantäne, und ja, die kann einen überall treffen, wo irgendjemand plötzlich niest und irgendwas mit Italien oder China sagt. Überall. Auf Teneriffa, in Venedig, in einer Wiener Schule, in der U-Bahn, in meinem Wohnhaus.

Zur Panik tragen einerseits immer neue Meldungen über solche Nieser bei, wie auch manche öffentliche Stellen. So vermeldete diese Woche einerseits der Wirtschaftskammer-Generalsekretär, dass „das Buchungsgeschäft der Reisebranche „nahezu zum Erliegen gekommen“ wäre, postwendend verlautbarte der Präsident des Österreichischen Reiseverbandes: Stimmt nicht, Buchungen für die laufende Sommersaison liegen über dem Vorjahr. Man muss ehrlich hinzufügen: noch. Denn jetzige Buchungseinbrüche wirken sich statistisch erst demnächst aus.

Chance für Reisebüros

Aber mit Sicherheit werden Probleme von Kunden (wenn sie stornieren oder umbuchen wollen, oder einfach nur ihre Sorgen wegen einer anstehenden Reise besprechen) den Online-Reiseanbieter- Dschungel lichten. Denn immer nach Krisen zieht es Menschen zu Bewährtem. Das Virus könnte also eine Chance für Reisebüros und große Veranstalter sein, die 24 Stunden und 365 Tage im Jahr ein Krisenmanagement haben. Und vor allem: abheben, wenn man anruft.

Natürlich haben wir uns in der Redaktion auch gefragt, ob wir derzeit über Reiseziele berichten sollen, die ein bisschen oder vielleicht oder viele Coronapatienten haben. Und wir sagen: Ja! Wir geben Leserinnen und Lesern faktenbasierte Informationen, aber wir wollen Ihnen weiterhin Lust aufs Verreisen machen. Die Verunsicherung ist großteils unbegründet, und wir gehen davon aus, dass fast alle ihr Reisejahr problemlos planen und erleben können – und sich jetzt auch darauf freuen dürfen.

Es wird auch in diesem Reisejahr sonnige Tage am Strand geben und in den Bergen. Es gibt Städte anzuschauen und Länder zu entdecken. Der unsichtbare Drache ist nicht überall. Und er ist gar nicht so arg.

axel.halbhuber@kurier.at