Raab geht essen: Kulinarische Weltreise – Etappe zwei
Von Thomas Raab
Liebste Omamatschi, stell dir vor, wir waren in Italien. Gleich nach dem Homeschooling sind wir Richtung Auto gelaufen und zum Glück rechtzeitig draufgekommen, noch in den Schuluniformen zu stecken. So heißen bei uns jetzt die Pyjamas. Außerdem ist Papa eingefallen, er könnte sich zur Feier des Tages wieder einmal rasieren. „Duschen wär’ auch nicht schlecht!“, hat ihn Mama erinnert. Danach ging es aber los, jeder ordentlich angezogen, sogar mit frischer Jogginghose und Kapuzenjacke. Endlich Semesterferien. Geplant war ein Familienausflug. Die sind zurzeit nicht sehr spektakulär. Einfach nur gemeinsam im Auto durch die Gegend düsen, damit die Batterie nicht eingeht. Mama ist zwar gefahren, Papa aber wollte uns lenken: „Ich führ’ euch jetzt wie immer am Zeugnistag zum Essen aus, in ein nettes Restaurant!“ „Welches Zeugnis? Welches Restaurant!“, wollte Mama wissen. „Pizza kannst holen!“ Stimmt. Die Gasthäuser mit ihren eh schon halb so vielen Plätzen und doppelt so vielen Schutz- maßnahmen sind immer noch Häuser ohne Gast. Dafür darf man sich vor neuen Fast-Food-Ketten in Baby-Ohne-Elefanten-Abstand endlos als Slowfeed-Kette anstellen, um nach dem Herauskommen nebeneinander alles schnell hineinzufuttern. Ziemlich komisch, oder? Und noch viel komischer ist es, darauf zu reagieren, als stünde gleich ein ganzes, verrückt gewordenes Bundesland vor dem Burger-Laden, oder noch schlimmer: Vor einem Skilift. Wozu lernen wir Kinder eigentlich in der Schule, man soll nicht schlecht von einem auf mehrere, und von mehreren auf alle schließen, wenn sich dann Erwachsene benehmen dürfen, als hätten sie nie eine Schule besucht. „Öffentlich die Tiroler mit ,die Tiroler‘ beschimpfen, oder sich wie ein Gorilla auf die Brust klopfen mit ,Die werden uns kennenlernen!‘ Brandgefährlich und strunzd…“, wollte Papa wütend erklären und musste sich selber unterbrechen: „Solche Trotteln, die BMW-X6- Fahrer!“ Direkt vor uns ist einer aus dem Merkurparkplatz herausgeschossen. Der wird jetzt übrigens ein Billa Plus, Omi, extra nur für Dich. Wir haben nämlich gegrübelt, was das Plus hinten bedeuten soll. Ob das wie beim Tanken gemeint ist. Super Plus: Eh schon Super, aber kostet mehr. Oder wie bei Disney Plus: Eh schon alles gesehen, aber noch einmal dafür zahlen dürfen. Oder ist es ein Schwindel, wie in der Schule, weil Noten mit einem Vorzeichen hinten dran sind in noch keinem Zeugnis gestanden. „Vermutlich ist es wie 60 plus, oder 70 plus gedacht. Ein Supermarkt für ältere Menschen!“, hat uns Papa unterrichtet und Mama ergänzt: „Oder 50 plus!“ Papa fand das nicht so lustig: „Wenn du mir jemals ein Emporia kaufst, lass ich mich scheiden!“ Wir haben sofort gegoogelt und uff: Das ist nur ein Telefon für kurzsichtige Skifahrer oder Boxer, die auch mit Fäustlingen ganz dringend wen anrufen müssen. Es gibt sogar ein Emporia Life Plus. Lustig, oder? Life Plus. Was soll das sein? Laut Papa: „Das ist ein anderes Wort für den Tod! Und jetzt brauch ich dringend eine Pizza Plusplusplus, mit Knoblauch, Tabasco und geschnitten!“ Wir haben dann gleich im Auto gegessen und – stell dir vor Omamatschi – dabei auf Italien gesehen. Denn vorne an der Windschutzscheibe klebt immer noch die Campingplatz-Zufahrtsetikette von unserem Bibione-Urlaub 2020. Mama hat ihre Italy-Playlist laufen lassen, mit vollem Mund gesagt: „Ich brauch’ jetzt auf jeden Fall einen Grappa!“
Dann sind wir wieder heim und haben beschlossen, Danke zu sagen: DANKE ALLEN, die uns in diesen komischen Zeiten mit Liefer- & Abholservice verwöhnen und Lebensfreude schenken.