Paaradox: Zwei gegen einen
Sie
Was der Mann gegenüber sehr, sehr gut kann: den Alarmstufe-Rot-Blick. Der geht so: Die Augen verengen sich zu Schlitzen. Die Kiefermuskel wirken angespannt. Die Lippen werden schmal. Der Körper spannt sich an. Sein innerer Tiger erwacht also, bereit zum Kampf – bei ihm eher zur Flucht. Armer gestreifter Kater! Erst unlängst wieder, als La Tochter und ich in sein Rückzugsnest zum Brunch geladen waren. Während er mit Kipferl und Kaffee durch das Wohnzimmer huschte und versuchte, was Lässiges von AC/DC zu pfeifen, standen wir zwei vor einer leeren Wand und fanden, da müssten zügig bunte Bilder drauf. Außerdem war die Tochter überzeugt davon, dass die Blumen öfter gegossen werden sollten. Ich wiederum sah sehr viele Hundehaare, in dieser Ecke, in der anderen Ecke und eh überall. Fand also, es müsste mehr gesaugt werden.
Duhu!
Den Gedanken folgten Taten, in Form eines Satzes, der bei ihm den Tiger-Alarmstufen-Rot-Reflex auslöste: Duhu, wir müssen reden! Einer, der auf der Beliebtheitsskala der verhassten Sätze noch vor Du solltest mehr Gemüse essen! sowie Du solltest die Steuer machen! rangiert. Seine Reaktion: erstarren, anspannen, flüchten. In die Küche, aus der er rief: „Net scho wieder!“ Aber weil La Tochter und ich einander ähnlich sind, blieben wir hartnäckig. Sie verwickelte ihn in einen Dialog über die Macht der Bilder, das Lieblose an Männer-Behausungen und arme Pflanzen. Während ich mit dem hypermodernen Staubsauger herumfuchtelte und rief: Wird der auch verwendet oder ist der nur als Metapher gemeint? Angesichts so viel geballter weiblicher Übermacht wurden wir aber gleich wieder milde. Ich sagte: Wurscht, ich muss hier ja nicht wohnen. La Tochter lachte wiederum und meinte: Ach Pappo, da schaut’s echt aus wie in einer Studentenbude. Wunderbar. Schon entspannte sich Herr Tiger und tat das einzig Richtige: sich für Augenblicke noch einmal richtig jung fühlen. Dann schmausten wir Studentenfutter.
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Er
Als würde der Die-Fenster-putzen-sich-nicht-von-alleine-Blick meiner Frau nicht genügen. Jetzt mischte auch noch meine Tochter bei der Wohnungsinspektion mit. Also jene junge Dame, aus deren Domizil ich zuletzt die gesammelten Flaschen der vergangenen zwei Jahre mit väterlicher Hingabe abtransportiert habe, weil einer Studentin für solche Alltagsmühen die Zeit fehlt. Sie daran zu erinnern, nützte allerdings nicht das Geringste. Denn im Verbund mit der Mutter entwickelte sich eine Sachverständigen-Dynamik, der ich in meinen Gedanken nur mit listiger Priorisierung begegnen konnte – naja, egal, Hauptsache, wir sind alle gesund. Von Herrn Gustav kam im Zuge des Brunch-Spektakels leider auch kein entsprechendes Knurren als Zeichen der Männersolidarität. Im Gegenteil, ich hatte fast den Verdacht, dass meine Weigerung, genug Schinken vom Tisch plumpsen zu lassen, auch bei ihm zu einer kritischen Wahrnehmung des Familientreffens führte.
Die Koryphäen
Also veränderte ich meine Strategie nach den erfolglosen Versuchen, dem Herzensduo mit „My Home is my Castle“, also ein würdiger Ort der Anarchie, zu begegnen. Und bestätigte sie. Da muss unbedingt ein Bild her! „Völlig richtig, danke für den Hinweis.“ Die Pflanze weint bitterlich! „Ich werde sie trösten, danke für den Hinweis.“ Der Mozzarella ist längst abgelaufen! „Welch Fauxpas, danke für den Hinweis.“ Zwischenzeitlich streute ich noch ein, dass ich ohne diese Inputs lebensunfähig wäre, kaum Worte für die Großartigkeit ihrer Expertise fände und stolz sei, zwei solche Begutachtungskoryphäen in meiner Nähe zu wissen. Bis den beiden das kichernde Optimieren ohne Widerstandsgeist fad wurde, und wir fröhlich jausneten. Später am Nachmittag traf dann eine WhatsApp von gnä Kuhn ein: Wenn ich mir dieses massive Hochbeet bestelle, würdest du mir dann helfen, es zusammenzubauen? Ich antwortete nur: „Na klar.“ Mit einem Lächeln der Erhabenheit.
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