Paaradox: Gesundheit!
SIE
Es gibt wenig zu erzählen. Warum? Mich hatte es erwischt: positiv! Keine Begegnungen mit Mr. Seltsam. Wie gut, dass wir – dank unserer paaradoxen Freiraumintervention – trotzdem halbwegs heiter weitermachen konnten. Der Mann gegenüber musste sich also nicht ins ehemalige Jugendbett von La Tochter kringeln. Vermutlich hätte ich dann viele digitale Beschwerdebriefe erhalten, mit Autsch-Bulletins seiner Lendenwirbelsäule. Doch so erreichten mich „nur“ Berichte über seine Phantomschmerzen.
Es zwickt
Ja, wir hatten vor meinem Krankheitsausbruch Kontakt, frei nach EAV: Bussi, Bussi, zerst das Handi, dann das Fußi. Daher deponierte er bei mir nicht nur volle Einkaufssäcke und Blumen, sondern dringende medizinische Anfragen: Hm, seit ich weiß, du hast es, zwickt mein kleiner Finger. Ist das Corona? Ich riet ihm, ein Bier gleichen Namens zu trinken und den Finger damit zu kühlen, weil: fix nicht! Es kam noch komplexer: Anderntags versuchte er mich frühmorgens zu erreichen, da war ich noch im Delirium, wie ich meinen Wattebausch-Zustand nannte. Ich hörte mir seine Hinterlassenschaften in der Mailbox erst später an: Hab geträumt, ich muss den Hustensaft meiner Kindheit schlucken, bin mit verklebten Augen und verschwitzt aufgewacht. Kein gutes Zeichen, oder? Für eine konstruktive Antwort hatte ich keine Kraft. Das schien ihn ärger zu beunruhigen als sein eigenes Befinden, worauf mich nonstop mehrere Sorge- & Mitgefühl-Depeschen erreichten: Alles gut?, Geht’s eh?, Kopf hoch!, Bussi!. Das alles abgerundet mit dem „Ha-Ha-Hatschi-Lied“ von einer uralten Benjamin-Blümchen-CD. Die hatten wir immer gemeinsam gehört, wenn die Kleinen krank waren: Gesundheit, Gesundheit, und gute Besserung. Gesundheit, Gesundheit, wir wünschen neuen Schwung! Iss viel Apfelsinen, trink Zitronensaft, schäl dir Mandarinen, das gibt neue Kraft. Gute Besserung! Schau, schau: Von da an ging’s bergauf mit mir. Danke, Dr. Hufnagl.
eMail: gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
ER
Ja, man muss aufpassen, was man sagt. Erstaunlich, dass ich das nach zehn gemeinsamen Kolumnenjahren noch immer nicht verinnerlicht habe. Meine Frau schickte mir also via WhatsApp-Nachricht einen Screenshot ihres PCR-Tests. Mit dem lapidaren Kommentar: So a Schas. Nachdem sie mir zwei Tage lang schnucklig schniefend erklärt hatte, dass es sich bei ihren Symptomen fix nur um die obligate Frühjahrsverkühlung handeln würde. Die Kunde vom Virusbefall führte jedenfalls dazu, dass ich mich augenblicklich auch fiebrig fühlte. Es handelt sich dabei um ein bekanntes Phänomen, weshalb der eingebildete Kranke in mir die Selbstbeobachtung intensivierte. Und genau diese Inspektion auf Infektion hätte ich ihr eben nicht mitteilen dürfen – ahnend, dass sie daraus eine Text-Skulptur vom Hypochonder-Hufnagl schnitzen würde.
Einsatzkommando
Statt zu vertiefen, in welchem Ausmaß sie ihren Befund zu einem Weltereignis erklärte. Als wäre Corona keine Pandemie, sondern eine Gabymie. Ich bekam stündlich exakte Zustandsanalysen, und wenn sie keine Entwicklung entdeckte, schrieb sie zumindest: Zustand unverändert schlecht. Ich antwortete: „Willst nicht einfach einmal eine Ruhe geben?“ Und las Sekunden später: Eh. Aber ein Eh von gnä Kuhn bedeutet, dass sie erst ein Hühnersupperl benötigt. Gerne auch frisches Obst. Und chinesischen Tee. Also flitzte ich als mobiles Einsatzkommando durch den Bezirk, von Nachrichten navigiert (Wenn du zufällig an einem Blumengeschäft vorbeikommst … Smiley). Kam ich. Zufällig. Als ich dann mit dem Warenkorb heimkehrte, war eine Veränderung spürbar. Sie schlief nämlich tief und fest, und ich dachte mir nur: Tja, die Metamorphosen des Covid. Das Erfreuliche: Die Genesung von gnä Kuhn war nach einer Woche und 178 WhatsApp-Diagnosen vollzogen. Seitdem erzählt sie nimmer, wie es ihr geht, sondern wie es ihr gegangen ist. Worauf ich sage: „Naja, Hauptsache, wieder gesund.“ Und sie: Eh.
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