Paaradox: Animalisch
Sie
So irritiert hatte ich den Mann gegenüber schon lange nicht mehr erlebt. Zuletzt vielleicht als FC Barcelona gegen Real Madrid dramatisch verloren hatte und keine Taschentücher zum Tränenwegwischen mehr vorrätig waren. Oder als ihm seine Mutter unlängst offenbarte, dass sie ihm Spinatknödel statt Fleischknödel servieren würde.
Welch ein Schock
Zurück zur aktuellen Irritation, die er mit Foto und Text untermalte und mir per Whatsapp schickte. Auf dem Bild waren drei seiner Sportschuhe im Garten verstreut zu sehen, dazu schrieb er: „Wenn du die Terrasse betrittst und das siehst. Ein weiterer Schuh lag beim Nachbar drüben. Unheimlich, oder?“ Dann folgten wildeste Spekulationen, wer das gewesen sein könnte: von Menschen bis Marder. Von Kindern bis Krähen. Von Michael Myers bis Tyrannosaurus Rex. Ganz klar: Er hatte ein bissi Angst. Ich hingegen musste sehr laut lachen. Wie der Zufall es so wollte, hatte ich vor einigen Tagen ein Video angeklickt, in dem ein Fuchs zu sehen war. Ein kleiner Fuchs, mit einem großen Menschen-Sportschuh im Maul, darunter stand: „Füchse lieben Schuhe mit Schweißgeruch.“ Dazu gab es ein Interview, in dem ein Fuchs-Auskenner vom ausgeprägten Geruchssinn der Tiere schwärmte und dass diese zwei Meter hoch springen und perfekt klettern können. Letzter Satz des Experten: „Alles, was stinkt, findet der Fuchs sehr, sehr toll.“ Als ich ihm das erzählte, fand der Hufi das zunächst weniger toll, aber natürlich gab er zu, dass seine Lauf- und Tennisschuhe eher nicht das Odeur von Chanel Nr. 5 verströmen. Nach und nach merkte man ihm aber die Erleichterung an. Nix Michael Myers. Als ich ihn ein paar Minuten später zufällig auf der Straße traf, ging er gerade zum Auto. Obwohl er ein wirklich schlechter Pfeifer ist, erkannte ich das Kinderlied, das ihm fröhlich von den Lippen ging: „Fuchs, du hast den Schuh gestohlen, gib ihn wieder her.“ Ja: Neuer Tag, neues Glück.
Er
Ehrlich: Wenn man des frühen Morgens verträumt mit Kaffeehäferl in der Hand ins Freie tritt … und jene Schuhe, die sich normalerweise gut geschlichtet unter einer Bank befinden, in großem Radius im Garten verstreut vorfindet, hat man Fragen. Ich vermutete erst das Werk eines Dachses, fand aber kein Loch im Zaun. Dann dachte ich an einen Marder, traute ihm das allerdings kraftmäßig nicht zu. Gleiches galt für die Krähe, ergänzt durch den Gedanken: Ein Schuh vielleicht, aber viermal holen, fliegen, loslassen ist eines klugen Vogels nicht würdig. Erst danach dachte ich an schlafwandlerischen Aktionismus, gefolgt von der Idee, meine Frau hätte sich einen Jux gestattet. Das verwarf ich schnell wieder, weil die Vorstellung einer gnä Kuhn, die in der Nacht trotz Spinnenangst durchs Gebüsch und über einen Zaun klettert und dann keinen subtileren Schabernack parat hat, völlig absurd ist. Eine Überlegung hatte ich aber definitiv nicht: „Ah, da ist sicher ein gelangweilter Fuchs die Straße entlang spaziert, hat die Witterung meines Edeldufts aufgenommen, um über den Zaun zu hüpfen und einen Schuh nach dem anderen zu entführen. Und weil das lustig ist, hat er mit einem Exemplar auch noch die Hürde zum Nachbarn genommen, um die Beute dort zu platzieren.“
Frau Schlau
Also schickte ich ein Foto an meine Frau, und ihre Erklärung folgte sofort: Was ist da spooky? Das Paar aus dem Haus gegenüber hat fix gestritten, und sie hat seine Latschen aus dem Fenster gehaut … hätte mir auch einmal einfallen können. Ich antworte nur kurz: „Schatzi, das sind MEINE Schuhe!“ Pause. Ehe mir Frau Schlau ein Youtube-Video nach dem anderen übermittelte. Samt Kommentaren wie: Sei froh, dass der Fuchs nicht alle Schuhe in seinen Bau verschleppt hat. Vermutlich war der Geruch sogar ihm zu streng. Das war gemein. Aber vielleicht bekommt die Liebste ja demnächst auch einen rätselhaften Besuch – von einem ausgefuchsten Ehemann.