Kolumnen/Mirad teilt aus

Über ein Land, in dem auch Männer den 8. März groß feierten

Mein Vater kam immer pünktlich von der Arbeit nach Hause. Also konnte ich von Jahr zu Jahr ganz genau wissen, wann der 8. März ist - ohne einen Blick auf den im Vorzimmer hängenden Kalender mit Titos Antlitz im Hintergrund werfen zu müssen. Der Vater stolperte - festlicher als sonst gekleidet und sichtlich angeheitert - erst am Abend in die Wohnung hinein und wedelte mit dem Blumenstrauß vor Omas Nase herum. Diese wiederum schmunzelte nur über dessen Zungenschlag, während die Mutter mit den Augen rollte.

Am 8. März kam nicht nur mein Vater angetschechert von der Arbeit heim. Gefühlt das ganze Land befand sich in feuchtfröhlicher Stimmung. Die Arbeitgeber schenkten ihren Mitarbeiterinnen Blumen, nach Dienstschluss wurden Umtrunke veranstaltet. In der Schule übten die Kinder fleißig Lieder, die Müttern gewidmet sind, bastelten an Glückwunschkarten, die sie anschließend voller Stolz und Hingabe den Mamas daheim präsentierten.

Die kollektive Wahrnehmung des 8. März als eines wichtigen Datums im Kalender der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien verleitete auch den heftigsten Balkan-Macho dazu, den nächsten Blumenladen aufzusuchen und seiner Geliebten (oder zumindest der Mutter) Freude zu machen. Er wusste womöglich nicht, warum er es tat. Er fragte sich womöglich, warum es sich gehört, dies an einem 8. März zu tun. Er tat es aber. Und das war gut so. 

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Der Internationale Frauentag gehörte zu diesen Daten, die im Leben eines Jugoslawen, nicht zu sprechen von einer Jugoslawin, Anlass zum Feiern gaben. Hinzu kamen, abgesehen vom Neujahrstag, dem eigenen bzw. dem Geburtstag des Kindes, auch der Tag der Arbeit, der Erste Mai, sowie der 29. November, der Tag der Republik. 

Aber nur an diesem einen Tag im Jahr wurden die Genossen darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig ihre Genossinnen sind. Am 8. März wurden ihnen Rosen gestreut, Komplimente gemacht, große Bedeutung zugemessen. Am 9. März putzten die Genossinnen Weinflecken aus den Hemden ihrer Männer heraus, standen am Herd und kümmerten sich darum, dass die Hausaufgaben ihrer Kinder gemacht sind. Am 9. März war die Welt wieder in Ordnung. Für die Männer. 

Die Welt dreht sich auch nach dem Zerfall eines Landes, das seine Genossinnen am 8. März hochleben ließ, weiter. Eine Welt, die ihre Genossinnen immer noch nicht hochleben lässt. Leider.

In diesem Sinne: Möge der 8. März jeden Tag sein!

Sretan 8. Mart!