Kolumnen

Kralicek geht essen: Darf man zu Hause trinken?

Viele Leute legen Wert auf die Feststellung, dass sie niemals alleine trinken würden. So, als ob man dann vollends die Kontrolle über sein Leben verloren hätte. Immer, wenn ich das höre oder lese, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Ich muss nämlich zugeben, dass ich mir auch allein zu Haus gern ein Bier aufmache oder ein Glas Wein einschenke. Hin und wieder hole ich sogar den Schnaps aus dem Giftschrank. (Schnaps trinke ich fast ausschließlich daheim, in der Gastronomie schrecken mich die Preise ab.) Macht mich das schon zum heimlichen Alkoholiker? Ich finde nicht. Aber weil mir klar ist, dass man das selbst unmöglich seriös beurteilen kann, habe ich im Internet sicherheitshalber den Selbsttest der Anonymen Alkoholiker gemacht. Ergebnis: negativ.

In dem Test geht es darum, wie viel und wie oft man Alkohol konsumiert, ob man hin und wieder Filmrisse hat oder in der Früh ein „Reparaturseidel“ braucht. Ob man allein oder in Gesellschaft trinkt, wird hingegen nicht abgefragt, es scheint also irrelevant zu sein. Woher kommt dann der schlechte Ruf des privaten Trinkens? Natürlich kann es unendlich traurig sein, allein zu trinken. Das Bild, das man da vor Augen hat, ist nicht schön und hat sicher zum schlechten Image des Solotrinkers beigetragen. Aber nicht jeder, der alleine trinkt, ist deshalb schon eine verlorene Seele.

Viele Menschen, die ein bisschen schüchtern sind – und das sind die meisten von uns –, schätzen die enthemmende Wirkung von Alkohol. Diese trägt dazu bei, in Gesprächen das Eis zu brechen und gute Stimmung aufkommen zu lassen. Für Solotrinker fällt dieser Aspekt logischerweise weg, sie wollen die Wirkung des Alkohols nur für sich genießen, die anderen nicht mitlachen lassen – und das macht sie verdächtig.

Mir sind ja eher die Nur-in-Gesellschaft-Trinker suspekt. Sie wollen die Verantwortung für ihren Alkoholkonsum nicht selbst übernehmen und wälzen sie deshalb auf die anderen ab. Subtext: Ich trinke ja nur, weil ich kein Spielverderber sein will. Außerdem tun sie so, als wäre Alkoholgenuss in der Gruppe weniger schädlich, eher gesellschaftliche Usance als Laster. Das geht dann schon stark in Richtung Selbstbetrug.

Ohne den Gruppentrinkern generell etwas unterstellen zu wollen, würde mich bei dem einen oder der anderen von denen interessieren, was beim AA-Fragebogen herauskäme.