Kolumne "Quergedacht": Das schlechte Bild vom Kicker
Von Paul Scharner
Was passiert verlässlich nach der Unterschrift unter dem ersten Profivertrag? Das Kicker-Talent kauft sich ein Louis-Vuitton-Tascherl, um damit künftig die Toiletteartikel zum Training zu tragen.
Natürlich gibt es Ausnahmen, aber die vorherrschende Kultur im Fußball-Business ist klar: Es wird hergezeigt, was man hat. Das beginnt beim Luxus-Tascherl, geht weiter bei den Urlaubsbildern und endet immer öfter in der Abbildung von bereit stehenden Privatjets oder vergoldeten Steaks.
Die große Frage lautet: Was muss ich überhaupt posten? Und ich frage mich bei der Vielzahl an ganz privaten Social-Media-Aktivitäten: Habt ihr sonst keinen Inhalt im Leben?
Der richtige Umgang mit den veränderten Kommunikationskanälen wird immer wichtiger – das beweisen die zahlreichen Fehltritte. Ich würde das Fach Social Media – genauso wie gute Ernährung und die Wirkung von Vorbildern – in jeder Fußball-Akademie des Landes als Pflichtfach auf den Stundenplan setzen.
Denn bei der Kritik an den Jungen darf nicht vergessen werden, dass ihnen nichts anderes gelehrt wird. Sie bekommen es so vorgezeigt, deswegen kann ich ihnen nur bedingt böse sein.
Nur der Sport
Ich habe es in England immer so gehalten, dass ich auf Twitter für die Fans meines Vereins über Sportliches berichte. Ausschließlich.
Um das klar zu sagen: Ich habe nichts gegen sehr gute Bezahlung, und ich habe über mehrere Jahre auch sehr viel verdient. Aber für mich war das viele Geld immer eine Verpflichtung, alles für den Verein und die Fans zu geben. Das hängt sicher mit meinem Umfeld und einer bodenständigen Erziehung zusammen.
Zu meinem 30. Geburtstag, nach zehn Profijahren, hab’ ich mir etwas gegönnt: Einen Porsche Panamera. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, Fotos davon zu twittern. Der Porsche war kein Statussymbol, sondern eine ganz persönliche Belohnung.
Ich behaupte, dass weltweit heute die Mehrheit der Talente nicht mehr deswegen Profi werden will, weil der Fußball an sich ihnen alles bedeutet. So war das für mich damals. Nein, sie wollen in erster Linie reich und berühmt werden.
Und dieser veränderte Zugang zum Beruf schadet auf Dauer der Leistung.
In der Blase
Viele Fußballer bleiben in ihrer Entwicklung als Mensch stecken. Sie kommen mit 15 Jahren in eine andere Welt, leben dann in einer Blase und bleiben dort in ihrer Persönlichkeit stehen.
Deswegen hat mich der meist diskutierte Fall auch nicht überrascht: Franck Ribéry, sein Gold-Steak und die anschließende Beschimpfung der Kritiker. Anders als viele andere finde ich das Gold-Steak aber nicht so schlimm. Weil es einen Unterschied macht, ob das ein Talent macht, das noch nichts erreicht oder geleistet hat, oder ein Kicker mit der Vita von Ribéry.
Er war über viele Jahre Weltklasse, hat eine große Karriere hinter sich, ist Millionär – und eben weiterhin kindhaft. Weit entfernt von einem Vorbild, das ist klar.
Vergänglicher Ruhm
Der Fußball ist ein riesiges Business geworden. Statussymbole werden immer wichtiger – trotzdem würde ich auch heute als Profi nichts Privates posten, die Fans freuen sich über sportliche News genauso.
Das Wichtigste war mir immer die Familie. Die muss funktionieren, auch nach der Karriere. Ich weiß wovon ich rede, als fünffacher Vater. Viele Kicker vergessen: Ruhm und Reichtum sind vergänglich, das ist alles endlich. Aber wenn du nach der Karriere noch eine Familie hast und sie pflegst, dann bleibt das hingegen unendlich. Bis zum Tod.
paul.scharner@kurier.at