Johannas Fest: Traumberuf "Starkoch"
Von Johanna Zugmann
Dienstagabend waren wir bei Resi eingeladen. Ganz spontan, nachdem wir einander all die Sommermonate hindurch nicht mehr gesehen hatten. Hinter dem Herd stand ihr 16-jähriger Sohn, ein leidenschaftlicher Hobbykoch. Es gab drei Gänge nach Rezepten aus dem Kult-Kochbuch „Jerusalem“ von Ottolenghi-Tamimi. Nicht etwa deshalb, weil vergangenen Samstag das Fest zu Rosch ha-Schana (das jüdische Neujahr) bevorstand. Vielmehr deshalb, weil Marc erst vor ein paar Monaten achtzig Euro in Gewürze investiert hatte, die in den wenigsten österreichischen Haushalten vorrätig sind und die er nicht verkommen lassen wollte.
Der ambitionierte Filius kredenzte als Vorspeise Melanzani mit Chermoula (eine nordafrikanische Würzpaste), Bulgur und Joghurt. Als Hauptgang genossen wir süßsauer marinierten Kabeljau. Koriandersamen und Curry entführten kulinarisch in den Orient, oder in die Traumwelt von „Tausendundeine Nacht“. Den süßen Abschluss bildeten in Weißwein und Zitronensaft mit Kardamom und Safranfäden gekochte Birnen, farblich eine Augenweide, geschmacklich eine kleine Gaumensensation!
Essen ist der neue Sex, Droge und Religion in einem, postulierte schon vor Jahren die angesehene britische Tageszeitung The Guardian. Damit avanciert der Koch zum Hohepriester. Während allgemein der Niedergang des Lesens beweint wird, rangieren Kochbücher ganz vorne auf den Bestsellerlisten. Kaum ein Kraut und kaum eine Rübe, kaum ein Sozialstatus – von Single über Business Mom bis Dinks (Double Income no Kids) –, dem kein eigener Titel gewidmet ist. Und Kochsendungen drohen gar Krimis die Quoten abzujagen.
Jamie Oliver hat es vorgemacht: alles ganz simpel, Wohlgeschmack von jedermann jederzeit mit jedem Budget und auch ganz ohne Bulthaupt-Küche produzierbar.
Auch der heimische Sternekoch Konstantin Filippou hält Kochshows für wichtig, in denen Speisen nach einfachen Rezepten zubereitet werden, die man leicht nachkochen kann, um zu zeigen, wie lässig Kochen ist und wie man sich gut ernähren kann.
Karriereträume
Haubenköche genießen auch ohne Kochshows Kultstatus, können es von ganz unten aus dem verlassensten Kaff der Erde in den Olymp der Gourmetszene bringen und zu Darlings der Reichen, Schönen und Einflussreichen avancieren.
Was in TV-Schnelligkeit und Hochglanzmagazin-Oberflächlichkeit auf der Strecke bleibt, ist, wie viel Schweiß tatsächlich in den Karrieren der Kochlöffelschwinger steckt. Und dass neben der Geschmackssicherheit, aus der heraus sich erst Kreativität entwickeln kann, körperliche wie logistische Meisterleistung gefragt ist. Und, dass die Abhängigkeiten unserer neuen Götter multipel sind, wie jene eines Dirigenten: Nicht nur das Orchester der Küchenhelfer, Köche und Sous-Chefs muss zu einem virtuosen Klang gebracht werden. Budgets sind einzuhalten, die richtigen Lieferanten zu finden und zu binden und der Zeitgeschmack des jeweiligen betuchten Publikums vor Ort zu interpretieren.
Zu Reichtum nebst Ruhm aber bringen es nur ganz wenige, weil Sterneküche nicht mehr kostendeckend ist. Marc will sein Hobby aber ohnehin nicht zum Beruf machen.
Er will Psychologie studieren und Menschen so zu einem glücklicheren Leben verhelfen. Eine ebenso kluge wie krisensichere Wahl, auch wenn dem Gourmet-Olymp damit vielleicht ein neuer Star entgeht.