Das Reisegefühl beschränkt mir keiner
Von Axel Halbhuber
Der verehrte Kollege Dominik Schreiber hat ein Pech: Da wagt er, der er redaktionsweit als höchst überzeugter Individualreisender bekannt ist, im Februar für uns seine erste Kreuzfahrt und kommt überzeugt und beeindruckt zurück. Und bevor er sich noch überlegen kann, ob er noch einmal in See stechen soll, beginnt dieses depperte C. zu wüten.
Es hat zwei Konsequenzen: Jene unerfreuliche, dass momentan alle Schiffe stillstehen, teilweise in die Heimathäfen zurückbeordert werden. Keiner weiß, wann Reisen wieder möglich ist, und Kreuzfahren als Sonderform des Reisens schon gar nicht. Dabei wäre das vergnügte Schifferlfahren relativ sicher zu organisieren, alle Passagiere testen und Leinen los. Man muss schon ehrlich sagen, diese Sparte des Reisens hat – wie in den vergangenen Jahren beim Thema Ökologie – auch bei C. wieder paar ungerechte Watschen kassiert. Übrig bleiben dabei jene Menschen, die sich leidenschaftlich an ihre letzte Kreuzfahrt zurückerinnern, und jene, die sehnsüchtig einmal eine unternehmen wollten.
Ankommen, um zu reisen
Für eben jene hat Kollege Schreiber nun aber eine Geschichte in unser Blatt gezaubert, und das ist die erfreulichen Konsequenz, die sowohl den Zurückerinnerern als auch den Voraussehnenden etwas Lesebalsam auf ihre Wunden streicht. Wer sie liest (siehe oben), wird Johann Wolfgang von Goethes Weisheit besser verstehen: „Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.“
Und weil die Urlaubsplanung derzeit besonders für Familien eine große Herausforderung ist, hat mich selbst die Geschichte an meine bisher einzige Kreuzerfahrung erinnert, die ich vor einigen Jahren mit meinem damals 3-jährigen Sohn unternommen habe. Ich erinnerte mich an jenes Abendessen an Deck, wo dieser Valentin im Golf von Saint-Tropez seinen ersten Hummer gegessen hat (wenn ich so nachdenke: auch seinen bislang letzten), was heißt gegessen: Der junge Spross biss ohne verkorkste Scheu hinein wie in ein Fischstäbchen. Auch in die Sojabohnen, die ihm der mitgereiste Heinzopa damals per Stäbchen in den Mund geschoben hat.
Hummer auf dem Schiff
Ich lernte damals, dass Kinder sich sehr überraschend an Dingen erfreuen können, die wir alternden Reisenden schon vergessen haben, oder sie irgendwann ad acta gelegt haben und nicht mehr probieren. Das wiederum könnte Eltern eine Inspiration für die Planung dieses Reisejahres mit dem Nachwuchs sein: etwas versuchen, das wir unter anderen Umständen nicht versucht hätten. Durchaus in der Nähe. Das Reisen vor der eigenen Haustüre, die Vermessung der Umwelt.
Es muss nicht immer Hummer sein, und nicht immer das Ende der Welt. Wenn wir reisen, ohne anzukommen, dann finden wir auch heuer einen guten Ort für uns, ganz unerwartet.
Wie der Kollege Schreiber.axel.halbhuber@kurier.at