Chaos de luxe: Postkarte aus Coronistan
Von Polly Adler
Waßt du circa, circa genau wie vül du mir am Oarsch gehst, du Kasperlkopfschnitzer?“ Die kreischblonde Frau auf der Parkbank, deren kohlfarbener Haarnachwuchs bereits Autobahnlänge besaß, pfiff auf die Antwort ihres vielleicht demnächst zukünftigen Ex und spannte ihre Arme weit auseinander. „So vül! Du gehst mir soviel am Oarsch, dass die Tür nimma zuageht.“ Jeder der unschuldigen sozial Distanzierten, die auf der Prater Hauptallee spazierten, konnte im Kilometerradius Ohrenzeuge dieses Verbaldurchfalls werden: Die Kasperlkopfschnitzer-Gefährtin hatte ihr Organ auf allerhöchste Hysteriestufe geschraubt. Das bewirkte beim Gatten, der sich frisurentechnisch für ein dünnes Rattenschwänzchen an Zweidrittel-Glatze entschieden hatte, eine Art Schockstarre, so wie man sie aus „Universum“-Dokus bei Mäusen angesichts einer spaßbefreiten Klapperschlange kennt.
„Waßt du circa, circa genau wie vül du mir am Oarsch gehst, du Kasperlkopfschnitzer?”
In polizeilich sanktionierten Abständen hatte sich inzwischen eine Menschentraube gebildet, um den offensichtlich Quarantänien-bedingten Beziehungs-Bankrott hautnah zu erleben. So ein Live-Erlebnis, noch dazu aus allernächster Nähe, hatte man ja nach dem vielen virtuellen Halli-Hallo-Entertainment aus den Wohnzimmern der Gaukler-Zunft schon lange nicht mehr gehabt. Eine Schauspielfreundin mit Josefstadt-TÜV, die in der Menge stand, rief mir zu: „Also, wenn ich das auf der Bühne so spielen würde, schreien alle: Herzogin Outrage, geh' runter vom Pedal!“ Diese Meldung führte bei der Parkbank-Furie erst recht zum Kabelbrand: „Net deppert reden, Depperte.“ Sie knuffte den Schockstarren in die Flanke und flüsterte: „Was is' mit du? Du sagst ja gar nix.“ Er: „I sag' jetzt, dass i an Flamutschi hab'. Gemma ham, i will was essen.“ Hand in Hand, dann sogar eng umschlungen, verließen sie das Terrain und wieder einmal erwies sich der Wolfgang-Ambros-Aphorismus „Nirgends geht's so zua wie auf dera Welt“ als goldrichtig.