Kolumnen

Chaos de Luxe: Erhöhte Lyriker-Gefahr

Der Frühling ist eine gefährliche Zeit, denn er regt viele Menschen zum Dichten an. Da kann viel schiefgehen. Vor allem die Bilder. Außer man heißt Rilke, Baudelaire, Trakl, Bobby Zimmermann, Christian Morgenstern oder Frau Bachmann: Dann muss man sich keinen Kopf machen und kann ruhig losdichten.

Ansonsten bitte ich aus Rücksicht auf diese poetischen Könner die Prallheit der platzenden Knospen nicht mit dem Aufkeimen wachsender Lebensfreude zu vergleichen und schon gar nicht in Reimform. Der gelangweilte Engländer pflegt in solchen Fällen nahezu tonlos anzumerken: „It has been done.“ Dass das Verfassen von Gedichten weder Kinderjause noch Waldspaziergang ist, zeigt die Kabarett-Nummer „Dichterschlacht am Mikrofon“ (YouTube), wo die Großmeister Karl Farkas und Franz Engel zu einem brüllkomischen Reimmatch gegeneinander antreten („Haben Sie was auf Likörzelt? – „Ja – es märzelt.“ – „Nebbich!“) Die Schlacht endet unentschieden und mit der Feststellung „Der Lenz ist da.“ Darauf kommt die Gegenfrage von Farkas: „Wo? Wo is er, der Lenz? Na, der Lenz von der Lerchenfelderstraße! Der schuldet mir fünf Schilling.“

Als Kind wusste ich, dass der Lenz da ist, wenn meine Mutter mir den strumpfhosenlosen Freigang und das erste Mal die Kniestrümpfe erlaubte. Wenn das Wetter oder das Aufsichtspersonal zu lange zickte, packte ich mir die Kniestrümpfe einfach heimlich ein und zog mich auf halbem Schulweg auf einer Bank um. Damals erlebte ich erstmals die herrlichen Schauer, die die Erledigungen von Verbotenem begleiteten. „Frühling“, dachte ich mir damals trotzig, manchmal noch im prasselnden März-Schneeregen, „ist dann, wann ich sag’.“ Stur wie nur/deswegen auch immer Zores mit l’amour. Und das auf Lebenszeit – schauerlich das Ego, dieser Maid. Entschuldigung, es ist mir entglitten. Ja, ja, ich bin eher der Prosa-Typ, ich hör’ auch schon wieder auf.

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