Alltag in der Risikozone: Wie erklärt man's seinem Kind?
Von Christoph Geiler
Es ist Mittwoch kurz vor 22.00 Uhr, als Landeshauptmann Günther Platter bekannt gibt, dass nun sämtliche 279 Tiroler Gemeinden unter Quarantäne stehen. Normalerweise schläft die Tochter (7) um diese Uhrzeit längst, aber auch ihr Rhythmus hat sich in den letzten Tagen merklich verändert. Und deshalb steht Emma auch sofort im Wohnzimmer und stellt die Frage, die sie neuerdings so häufig stellt, wenn ihre Eltern wieder einmal angeregt diskutieren.
„Was ist jetzt schon wieder passiert?“
Es ist schwer, einem Kind begreiflich zu machen, was da auf der Welt gerade vor sich geht. Dass sie nicht rausgehen sollte, obwohl das Wetter geradezu danach schreit, die Wohnung zu verlassen; dass sie ihre Freundinnen nicht sehen darf, obwohl denen ebenfalls die Decke auf den Kopf fällt; dass sie bitte geduldig, ruhig und lebensfroh bleiben möge, obwohl ihre Eltern in dieser Hinsicht im Moment nicht immer als Vorbild dienen.
Keiner von uns hat Erfahrungswerte im Umgang mit so einer Ausnahmesituation. Ich war ungefähr in Emmas Alter, als 1986 der Reaktor von Tschernobyl explodierte. Damals war ebenfalls Frühling und die Gefahr war wie heute eine unsichtbare. Es war für uns Kinder damals nicht nachvollziehbar, warum man plötzlich nicht mehr in der Sandkiste spielen sollte. Im Unterschied zu heute ging damals aber zumindest der Alltag normal weiter.
Für die Eltern stellt sich dieser Tage zwangsläufig auch die Frage: Was kann, was darf man seinem siebenjährigen Kind zumuten? Sollte man es in der Isolation noch zusätzlich abschotten und zumindest in den eigenen vier Wänden auf heile Welt machen?
Fragen, auf die wir keine Antwort wissen
Wir haben uns dafür entschieden, mit Emma so ehrlich und offen wie möglich umzugehen. Die Fragen kommen ja so oder so daher: Weil ständig der Fernseher rennt und weil natürlich auch wir Eltern unsere Sorgen, Ängste und Hoffnungen nicht verstecken können.
Wir stellen fest, dass Emma gerade sehr aufmerksam die Nachrichtensendungen verfolgt. Aufmerksamer als so manchen Zeichentrickfilm früher. Manchmal stellt sie dabei Fragen. Etwa wie lange das alles noch dauert. Wann sie wieder ihre Großeltern besuchen darf. Es sind Fragen, auf die wir ihr keine Antwort geben können.
Manchmal verschwindet sie dann auch in ihrem Zimmer. „Ich kann Corona nicht mehr hören“, sagt sie dann.
Emma hört sich im Moment übrigens zum Einschlafen jeden Abend die Abenteuer von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer an. „Eine Insel mit zwei Bergen . . . jeder sollte einmal reisen in das schöne Lummerland“, heißt es da.
Lummerland, es ist in Zeiten wie diesen das Land der Träume.